EwigkeitsMONTAG und die Tage drumherum… (26.-28.11.2017)

An diesem Ewigkeitssonntag haben wir unseren Sohnemann erneut zu Hause. Nachdem Yvonne den Samstag über „unpässlich“ war, hatten wir uns eigentlich auf einen schönen, ruhigen, gemeinsamen Sonntag gefreut. Wir hatten auch kurz erwogen, gemeinsam mit Samuel in den Gottesdienst zu gehen (er meinte: „wenn da doch so viele für mich gebetet haben, ist es doch schön, da zu sein“), aber am Ewigkeitssonntag sind die Gottesdienste in der Regel nicht so „familiengeeignet“ und darüber hinaus dachten wir auch, dass es evtl. etwas viel „Menschenauflauf“ für Samuel sein könnte… auch wohl viele Leute, die ihn hinterher ansprechen – und er ist ohnehin nicht so der Typ, der gerne viel von sich erzählt… Also vertagen wir die Idee.
Die Idee eines gemeinsamen Sonntages müssen wir dann auch leider ziemlich schnell vertagen: Yvonne bekam einen Anruf, dass ihre Großmutter möglicherweise ihre letzten Atemzüge macht… Sie ist 87 und schon einige Zeit sehr pflegebedürftig, kurzum: es war irgendwie irgendwann abzusehen… Aber wenn es dann soweit ist, kommt es ja doch plötzlich, unerwartet und wühlt einfach sehr auf… Naja, Yvonne entschied sich, zu ihr zu fahren und sich von ihr zu verabschieden…
So blieb ich mit den 3 Kindern alleine (Elisabeth fährt ja mit ihren 8 Monaten immer mit Mama mit). Und wir machten das Beste aus dem Tag! Samuel genoss es, mal wieder in der Badewanne zu plantschen und ansonsten, ausgiebig und völlig stressfrei mit seinen beiden Schwestern zu spielen. Mal mit der jüngeren, mal mit der älteren, mal mit beiden. Herrlich. Und ich hatte zwischendurch sogar mal Zeit, um ganz in Ruhe in der Wochenend-Ausgabe des Abendblatts zu schmökern. Herrlich! Und wieder dachte ich: vor ein paar Wochen hätte ich mir niemals (!!) träumen lassen, dass wir jetzt schon so viel Normalität erleben können, wie wir es gerade tun.
Nachmittags haben wir dann noch ein bisschen im Garten gespielt, und anschließend den warmen Kaminofen in der guten Stube genossen, zusammen mit Kakao und Keksen. Außerdem hatte ich mir in den Kopf gesetzt, dass es heute ein Sonntagsessen geben soll.. und pünktlich um 18h stand das von Papa selbstgekochte Menu auf dem Tisch. Ich war fast ein bisschen stolz auf mich.
Danach ging es dann zurück nach Geesthacht. Samuel war anfangs etwas traurig darüber, aber mit den zurückgelegten Kilometern verflog auch die Traurigkeit und mit einem Gute-Nacht-Lied und Gebet konnten wir uns dann bis zum nächsten Tag verabschieden.
Von verflogener Traurigkeit konnte bei Yvonne leider keine Rede sein… Es ist wohl immer eine schwer zu beschreibende Traurigkeit, die einen erfasst, wenn man sich von einem geliebten Menschen verabschiedet – in dem Wissen: es KÖNNTE höchstwahrscheinlich die letzte Begegnung zu Lebzeiten gewesen sein – und dennoch… man weiß es einfach nicht, wie lange sich diese Phase vor dem endgültigen Sterben noch hinzieht… – Mit diesem Gefühl ging es in die Nacht – und mit der Ahnung, dass es jeden Moment die eine endgültige Nachricht geben könnte…

An diesem Montag beginnt für Samuel wieder „der Ernst des Lebens“ mit Namen Schule! 😉 Ja, so ist es: auch in  Geesthacht sitzen Lehrer, die sich freuen, wenn solche Jungs wie unser Sohn wieder geistig soweit fit sind, dass man sie mit Aufgaben aus der Mathematik, der deutschen und der englischen Sprache herausfordern kann. Natürlich am Anfang nur leicht dosiert – aber Tag für Tag steigernd. Am Anfang noch in Einzelunterricht und dann irgendwann, wenn die Auffassungsgabe, die Konzentrationsfähigkeit und die Ausdauer so weit sind, geht es auch in Gruppenarbeit weiter. An diesem Montag stand auch erst mal ein Gespräch mit dem Lehrer an, in dem ich darstellen musste/durfte, welche „schulischen Herausforderungen“ Samuel besonders mag – bzw. an welcher Stelle bisher unser Sohn für die Schule bzw. für die Lehrer auch eine Herausforderung gewesen ist…
Ansonsten verlief dieser Montag für Samuel verhältnismäßig unspektakulär… Ach ja: am Nachmittag ging es wieder in den Bewegungsraum und es wurde eineinhalb Stunden Fußball gespielt, getobt usw. Das tut ihm, bei aller Bewegungseinschränkung, wirklich sehr gut.
Und dann… war dieser Montag tatsächlich ein „Ewigkeitsmontag“, also der Tag, an dem die Oma von Yvonne ihren letzten Atemzug tat und von diesem irdischen Leben ins ewige Leben ging. Ja, sie war alt und: ja, in letzter Zeit war der Kontakt nicht mehr so intensiv… aber dennoch: dieser Abschied in genau dieser Zeit, wo Yvonne ohnehin nicht mit „Extra-Power“ ausgestattet ist, sondern ohnehin viel „schultern“ muss, hat sie schon umgehauen. Für sie war dann auch recht schnell klar, dass sie am nächsten Tag, am Dienstag also, auf jeden Fall mit ihren Schwestern zusammen zu dem Altenheim würde fahren wollen, um dort das Zimmer der Oma aufzulösen. Das hilft beim Abschied-nehmen: sowohl das Zusammensein mit den eigenen Schwestern als auch das liebevolle Erinnern anhand von Gegenständen, die etwas über gemeinsam erlebte Zeiten oder einfach auch über die Art der Oma erzählen können…

An diesem Dienstag also hatte ich einen „Fulltime-Samuel-Dienstag“ und fuhr schon früh nach Geesthacht. Unsere Große (Katharina) hatte leider schon seit Montag mit Magen-Darm zu kämpfen, so dass sie nicht zur Schule konnte… glücklicherweise hatten wir Unterstützung… also jemanden, der bei Katharina bleiben konnte… Das ist in solchen Momenten ja schon eine Herausforderung – und ich bin sehr gespannt, wie wir solchen Herausforderungen ab der kommenden Woche begegnen, wenn ich wieder arbeiten muss. Zumal der Advent ja innerhalb einer Gemeinde noch so das eine oder andere „Extra“ bereithält… Aber auch solche Zeiten gehen vorüber… Na, jedenfalls kann ich in diesem Jahr so gar nicht behaupten, mich auf die Adventszeit zu freuen. Es ist ohnehin immer eher eine gehetzte Zeit – und in diesem Jahr hab ich überhaupt noch nicht mal den Hauch einer Erwartung daran, dass es „besinnliche“ Momente geben könnte. Aber wer weiß… vielleicht werde ich ja positiv überrascht…?!?
Zurück zum Tag: Es steht die – einmal wöchentlich stattfindende – große Visite an und da sich bei uns ein paar Fragen angesammelt haben, nehme ich diesen Termin auch gerne wahr…
Z.B. wurde uns erklärt, dass es verschiedene Phasen gibt – und in der „Akut-Phase“ in der sich Samuel befindet, ist es noch nicht erlaubt, über Nacht zuhause zu sein (am Wochenende). Würden wir das anstreben wollen, müsste er in die nächste Phase eingestuft werden… das hätte aber z.B. auch zur Folge, dass es keine Einzeltherapien mehr gibt, sondern nur noch Gruppentherapien. Und das ist momentan noch nicht das Beste für ihn – oder anders formuliert: so lange man ihm intensive Einzeltherapien zugute kommen lassen kann, sollte man das auch nutzen, weil er da unterm Strich länger etwas von hat, als wenn er frühzeitiger mal über Nacht zuhause bleiben darf.
Was soll’s?! Steht Papa halt weiterhin Samstag und Sonntag so gegen 5.40h auf. Kein Ding 😉
Ich will jetzt hier auch nicht alles aus der Visite wiedergeben. Nur vielleicht noch, dass uns gesagt wurde, dass es wohl im Januar größere Testungen geben wird, die dann auch Aufschluss über die noch benötigte restliche Zeit geben wird. Vor Ende Januar ist keinesfalls mit einer kompletten Rückkehr nach Hause zu rechnen. Das war uns irgendwie auch schon vorher klar, aber so ein kleines bisschen Rest-Illusion hatte ich mir BIS ZU DIESEM MOMENT bewahrt, bewahren wollen. Naja, was soll’s… die paar Wochen mehr oder weniger schaffen wir auch noch!!!
Am Nachmittag haben wir kurzerhand noch einen Kurzausflug nach Hause gemacht! Yvonne war inzwischen wieder zurück in Winsen – und wenn Mama schon nicht nach Geesthacht kommen kann, kommt der Sohn halt zur Mama. Die Freude war auf beiden Seiten riesengroß. Es waren zwar nur eineinhalb Stunden – aber besser als nix, fanden wir alle!
Eine Nachbarin, die das alles auch sehr mitgenommen hat, wurde kurzfristig zu uns nach Hause „beordert“ und durfte einfach auch „Bauklötze staunen“ – in diesem weit fortgeschrittenen Zustand hätte sie Samuel nie und nimmer erwartet!
Zurück in Geesthacht ging es nach diesem insgesamt dann ja doch auch wieder vollen Tag schnellstens ins Bett, wobei: seit heute gibt es einen neuen Zimmernachbarn! Im Nachbarzimmer campiert seit heute der Junge, der schon mit Samuel vorher zusammen auf einem Zimmer war – sowohl im UKE als auch auf der ersten Station in Geesthacht. Nun haben die beiden sich wieder und können sich gegenseitig beim „Fortschritte machen“ anfeuern 😉

der erste „erlaubte Zuhause-Tag“ rückt näher (23.-25.11.2017)

Dieser Blog ist ein bis eineinhalb Tage später da, als ich mir das eigentlich vorgenommen hatte… was schlicht und einfach daran liegt, dass das Wochenende mega-voll war, da „unser Sammy“ endlich mal wieder zu Hause sein durfte. Da es auch sonst einige Unwägbarkeiten gab, die die volle Aufmerksamkeit erforderten, blieb keine Zeit für Blog-Schreiben (noch nicht mal für das aufmerksame Mitverfolgen eines erfreulichen 3:0 Heimsiegs meines HSV, und das will schon was heißen…).
Aber wie immer: alles der Reihe nach:

Donnerstag und Freitag waren noch relativ normale Tage auf der neuen Station. Über den Donnerstag weiß ich gar nicht so viel Außergewöhnliches zu berichten. Wie schon an anderer Stelle geschrieben: die Tage gleichen sich ja irgendwann doch ziemlich… vormittags Therapien, nachmittags freie Zeit für Besuche o.ä. Am Donnerstag sind wir nachmittags gemeinsam einkaufen gewesen! Yvonne wollte aus Geesthacht zurück nach Hause und eh noch einkaufen – und ich hatte mit Samuel nichts besonderes vor, also sind wir kurzerhand alle gemeinsam zum Supermarkt gedüst. Samuel fuhr mit seinem Rolli durch die Gänge und konnte sich diverse Köstlichkeiten aussuchen, das war eine sichtliche Freude für ihn!
Ansonsten gibt es von diesem Donnerstag eigentlich nur noch zu berichten, dass Samuel mich mit der Aussage überrascht hat: „Ich habe drei Wochen geschlafen, weil ich einen Unfall hatte, nicht wahr, Papa?!?“… – whow, mein Sohn, denke ich: die Gedächtnisleistung scheint spürbar zuzunehmen. Es gibt auch immer noch und anhaltend „Gegenbeispiele“ dafür, also vieles, was nach kurzer Zeit doch noch weg ist oder erst nach intensivem Nachdenken wieder abrufbar, aber es sind erkennbar Schritte in die richtige Richtung!

Am Freitag vormittag hatten wir zunächst ein „theologisches Gespräch“ per Whatsapp. Yvonne hatte Samuel die Geschichte vorgelesen, wo ein Blinder von Jesus dadurch geheilt wurde, dass er ihm einen Brei aus Spucke und Sand auf die Augen strich – und  bei Samuel kam die Frage auf, wie das denn sein kann, dass man durch so etwas ekliges (…) gesund werden kann bzw. wie Jesus überhaupt in der Lage ist, (so) zu heilen – und ob es der Brei war, der gesund gemacht hat oder der Glaube des Blinden. Diese Frage gab’s per Sprachnachricht (von Yvonne formuliert, aber nun denn). Daraufhin versuchte ich Samuel zu erklären, dass Gott bis heute viele Möglichkeiten hat, zu helfen und zu heilen – und dass der Glaube der Menschen immer auch eine große Rolle spielt. Mal ist es der eigene Glaube und mal ist es der „stellvertretende Glaube“ anderer… So hab ich ihm gesagt, dass in der Zeit, als er so krank war, auch viele Menschen für ihn gebetet haben und FÜR SAMUEL GEGLAUBT haben, dass Gott hilft. Und Gott half und heilte und tut es immer noch! Ich weiß nicht, ob das alles bei ihm so ankam, was ich versucht hatte, zu erklären – aber ein bisschen wohl schon. Ich freue mich so, dass solche (und auch ganz andere) Gespräche wieder möglich sind. Vor ein paar Wochen hätte ich nicht geglaubt, dass das jetzt alles schon wieder so geht!
Stichwort Kurzzeitgedächtnis: als ich mittags zu ihm komme, sagt er: „Ich habe Hunger! Ich hatte nur Frühstück“ Auf mein erstauntes Nachfragen, ob es kein Mittagessen gab, sagte er: „Nein, ganz bestimmt nicht“. Später erfuhr ich dann aus verschiedenen Quellen, dass es sehr wohl  Mittagessen gab. Das sind die Momente, in denen deutlich wird, dass er eben noch nicht wieder der Alte ist und dass es noch ein gutes Stückchen braucht, um wieder „alltagstauglich“ zu sein…
Nichtsdestotrotz stellen Yvonne und ich uns an diesem Tag zum ersten Mal die Frage, warum unser Sohn eigentlich noch dauerhaft dort in Geesthacht sein muss… bei insgesamt nur 2h Therapie täglich von Mo.-Fr. dort den ganzen Tag sein zu müssen und auch jede Nacht… Ich frag mich dann schon, ob so was nicht auch demnächst (…) ambulant geht bzw. was eigentlich dagegen spräche, ihn morgens hinzubringen, wenn die Therapien beginnen und ihn am frühen Nachmittag wieder abzuholen, wenn eh nix mehr läuft… Die „Forderung“ und „Förderung“, die er durch den Alltag mit seinen Geschwistern zu Hause hätte, wäre sicherlich in der restlichen Zeit höher. Er geht mittlerweile eigenständig zur Toilette, isst selbstständig, kann sich verständigen… Da ist es schon hart, ihn abends immer zurück zu lassen bzw. sich „irgendwas einfallen zu lassen“, damit der Nachmittag für ihn irgendwie nicht langweilig wird… Naja, am kommenden Dienstag ist eine große Visite mit vielen Ärzten und Therapeuten, da werden wir diese Frage bestimmt mal so oder ähnlich stellen… (und wieder: dass wir überhaupt an diesem Punkt sind – und JETZT schon an diesem Punkt sind – macht uns dankbar und froh!)
An diesem Nachmittag bekommt Samuel noch Besuch von einem Freund aus Winsen. Bonuspunkt an diesem Besuch ist, dass ihm von der großen Schwester seines Freundes ein selbstgemachter Adventskalender überreicht wird – wir sind sehr froh über so viel „liebevolle Zuwendung“.
Nach diesem Besuch sage ich ihm gute Nacht und „Du musst jetzt schnell einschlafen, denn morgen früh komme ich und hole dich ganz früh schon hier ab“… Ab jetzt darf Samuel auf jeden Fall am Wochenende tagsüber bei uns sein – und demnächst auch über Nacht von Sa./So. – und einmal im Monat für ein langes Wochenende. Aber für dieses Mal erstmal tagsüber – und darauf freuen wir uns alle schon riesig.
Am Samstag stehe ich gegen 20vor6 auf und bin um ca. 20nach6 an seinem Bett in Geesthacht. Er ist schon wach und kann es kaum erwarten. Ich habe mir zuhause einfach eine Hose über den Schlafanzug gestreift und eine Jacke drüber gezogen – und er macht es nun ganz genau so. Auf dem Weg fischen wir noch Brötchen vom Bäcker ab und schleichen uns dann kurz vor 7h ganz leise hoch, wo alle „Heinselmädchen“ noch schlafen. Also krabbeln wir in unseren Schlafanzügen wieder ins Bett. Samuel geht kurz in unser Bett und als dann Katharina mitbekommt, dass er da ist, verziehen sich beide in ihr Zimmer und schnattern und lachen und gackern wie in besten Zeiten! Uns geht das Herz auf!
Wobei… Yvonne muss sich am Freitag irgendwas eingefangen haben und kommt an diesem Tag nicht richtig auf die Beine. Wenn, dann nur, um den Weg zum Bad anzutreten (alle weiteren Infos entfallen an dieser Stelle). Das heißt: den ersten Zuhause-Tag unseres Sohnes bekommt sie leider nicht wirklich mit. Schade, aber so ist es nun mal…
Dann wird irgendwann gemeinsam gefrühstückt. Ja, ohne Mama 🙁 Aber alle Kinder und Papa knuspern und krümeln, was das Zeug hält. Ein Nutella-beschmiertes Frühstücksbrettchen unseres Sohnes… es gibt keinen schöneren Blickfang, der aufnimmt, wie glückselig Alltagsmomente sein können!!!
Nach dem Frühstück plätschert die Zeit so dahin… es wird ein bisschen KiKa geguckt, ein bisschen gespielt (mal mit Charlotte, mal mit Katharina) – und irgendwann gibt es zum ersten Mal seit langem wieder Papas heißgeliebte Pfannkuchen. Auch wieder mit Nutella. Etwas viel Nutella an diesem Tag für meinen Geschmack – und unter alltagstauglichen Erzieheraspekten wäre das so auch nicht drin gewesen. Aber heute… „GESCHENKT!“
Danach kommen Oma und Opa vorbei. Eine Nachbarin schaut zwischendurch kurz rein, sieht Samuel und hat sofort Tränen der Freude in den Augen. Am späten Nachmittag kommt noch ein Freund von Samuel vorbei und überreicht ihm einen Brief (selbst erdacht und der Mama diktiert, damit sie es in leserliche Form bringen kann).
„Alle schönen Dinge müssen enden“, singt der von uns hochgeschätzte Reinhard Mey in seinem Lied „So viele Sommer“… ja, das ist wehmütig. Und so wehmütig ist uns auch am Ende dieses Tages. Kurz überlege ich, unseren Sohnemann einfach zu Hause zu lassen… Aber nein, wir sind ja pflichtbewusst – und wir wissen eben auch, dass der nächste Morgen naht. Ich werde wieder um 6.15h an seinem Bett stehen und ihn „entführen“. Ich bin kein Morgenmensch, absolut nicht. Aber dafür stehe ich unheimlich gerne schon vor 6h auf! Gute Nacht, mein Sohn – bis morgen! Es war wundervoll, dich wieder „mittenmang“ dabei gehabt zu haben – und so, wie die Dinge laufen, bin ich zuversichtlich, dass es auch BALD (…) wieder so sein wird, dass er bei uns schlafen kann. Erst eine Nacht, dann zwei  Nächte und dann… BALD wieder ganz.
🙂

Die ersten Tage auf der neuen Station – von wegen „keine neuen Quantensprünge“ (20.-22.11.2017)

An diesem Montag soll also nach knapp 5 Wochen (whow, so lange sind wir nun schon hier in Geesthacht) die nächste „Stufe“ erklommen werden: der Umzug auf die neue Station, die „Station A“ steht an. Hier wird einiges anders sein, das merken wir schon in den ersten Tagen. Doch der Reihe nach:
Am frühen Vormittag sind noch ein paar Therapie-Einheiten auf der bisherigen Station, während die Klamotten und persönlichen Habseligkeiten bereits auf das neue Zimmer rüber gewandert sind. Nach diesen Einheiten geht es aber nicht etwa auf die neue Station, sondern auf „große Fahrt nach Winsen“! Denn: ein Augenarzt-Termin steht an. Innerhalb der nächsten Tage wäre ohnehin ein Termin bei der „ihm vertrauten Augenärztin“ in Winsen gewesen – und so wurde das einfach vorverlegt. Mit „Rolli-Taxi“ ging es dann also an diesem kalten und verregneten Tag, zusammen mit Mama und der kleinsten Schwester los in Richtung „Zuhause“. Wie das bei Arztterminen oft so ist, war auch hier Warten angesagt – oder besser: das Taxi war extremst zu früh vor Ort… Naja, umso besser: ein kurzer, leckerer Zwischenstop beim Bäcker konnte diese Zeit im wahrsten Sinne des Wortes versüßen!
Der Augenarzt-Termin hat dann ergeben, dass es bei Samuel „partielles Doppelbilder-Sehen“ gibt, was sich aber nicht weiter therapieren lässt im Moment – und sehr häufig ist es so, dass sich das einfach so im Laufe der Zeit zurück bildet. Also abwarten… das kennen wir ja schon!
Da der Termin relativ schnell rum war und das Taxi noch nicht wieder vor Ort, gab es noch die Gelegenheit, bei dem „Friseur des Vertrauens“ einen Zwischenstop einzulegen – nach vielen Wochen Krankenhaus war auch das ein Termin, der ein bisschen mehr Lebensqualität bedeutet hat.
So ein Ausflug ist anstrengend – und so bekam ich einen recht müden Sohn wieder mit auf den Weg nach Geesthacht: den Nachmittag hatten wir dann wieder gemeinsam. Während der Autofahrt hatten wir ein paar kurze Gesprächsfetzen, bei denen ich merken konnte, dass es mit dem Kurzzeit-Gedächtnis zwar schon ein ganz klitzekleines bisschen besser war als an den Tagen vorher, aber dennoch waren viele Lücken da und auch immer noch viel „wiederholtes Erzählen“ bzw. „wiederholtes Fragen“. Ungefähr alle 10min. musste er mir zeigen, dass er mit dem Rolli kippelnd fahren kann… als zeigte er mir das zum ersten Mal. Aber naja… nur Geduld…
Die Station A unterscheidet sich in vielem von dem, was in den letzten Wochen „Maß der Dinge“ war… Zum einen hat Samuel nun ein richtiges Einzelzimmer mit einem richtigen Bad mit einer RICHTIGEN DUSCHE! Nix mehr: mit Pflegern irgendwo hingefahren werden und dort dann im Liegen duschen. Jetzt darf wieder so geduscht werden wie immer. Die Tagesstruktur ähnelt der eines Schultags: morgens sind überwiegend „therapeutische Anwendungen“ (und davon auch viele, so dass der Vormittag voll ist) und der Nachmittag ist dann verhältnismäßig frei (mehr dazu gleich). Darüber hinaus ist es so, dass die Kinder der Station gemeinsam essen… Frühstück, Mittag, Abendbrot jeweils eine Stunde gemeinsam. Es gibt einen Spieleraum auf Station, wo sich die Kinder, wenn sie Lust haben, zwischendurch treffen können und auch sonst düsen die Kinder viel auf dem Stationsflur hin und her und vertreiben sich die Zeit. Der Betreuungsschlüssel ist nicht mehr so hoch wie vorher – dafür gibt es aber z.B. auch Erzieherinnen, die sich, je nach Bedarf, mit den Kindern beschäftigen. Für uns Eltern bedeutet das alles: im Grunde ist man vormittags beinahe überflüssig.
An diesem Nachmittag dann gab es DAS EREIGNIS SCHLECHTHIN für Samuel! Denn: auf der Station A gibt es nachmittags immer 1,5h gemeinsam gestaltete Zeit mit anderen Kindern der Station als ANGEBOT. Das ursprüngliche Angebot für diesen Tag wäre gewesen, rauszugehen – das wollte aber niemand bei dem Wetter so recht. Die Alternative hieß „Bewegungsraum“ – und das war für Samuel der Knaller, denn plötzlich rollten, kullerten und hüpften verschiedene Bälle durch den Raum… und was macht mein Sohn, der ja eigentlich bisher nur im Rolli saß bzw. mal ganz kurz aufstand, um ein paar Schritte wackelig zu gehen? Er stellt die Bremsen am Rolli fest und steht auf und… jagt einem Ball hinterher, um schlicht und einfach FUSSBALL zu spielen! Hammerhart! Da spielt mein Junge, der vor gut 8 Wochen beinahe ums Leben gekommen wäre, „einfach so“ wieder Fußball… ich hatte Tränen der Rührung in den Augen! Natürlich: alles noch wackelig und längst nicht in dem Tempo, wie er es sonst macht… aber es gelangen dennoch schon kleine Tricks, die ersten Tore wurden geschossen, die ersten Torwart-Übungen auf einer dicken Matte absolviert und somit auch das „gekonnte Fallen“ wieder hervorgeholt… Es war wirklich eine Augenweide und ein DANKE! GOTT!!! Moment!
Natürlich, danach war Samuel K.O.! Da ging nicht mehr viel an diesem Tag. Essen, Singen, Beten, gute Nacht!

An diesem Dienstag fällt uns vor allem auf, dass Samuels Kurzzeitgedächtnis einen Sprung nach vorne macht! Seit heute ist es kaum noch so, dass Samuel Dinge wiederholt nachfragt, die er eigentlich schon erzählt bekommen hat – und gleichzeitig knüpft er an Erlebnisse der vorigen Tage an oder auch (kleines Beispiel am Rande): wir machen einen kleinen Ausflug mit dem Auto, gehen kurz auf eine Parkbank, von dort wieder zurück ins Auto. Ich denk „Mensch, wir haben die Mütze auf der Bank liegen lassen“ und sage: „Au wei, wir müssen noch mal zurück…“ und Samuel ergänzt: „Die Mütze liegt da noch!“ – Eine Kleinigkeit, die mir aber so viel zeigt! Er ist wieder „in der Gegenwart präsent“, erinnert sich an kurz vorher Gesagtes oder Geschehenes. Ein Geschenk!
Das Nachmittagsangebot wäre gemeinsames Basteln gewesen – davon war Samuel noch nie ein Freund… Deshalb, wie gesagt, der Ausflug mit mir war dann die erste Wahl.
Am Abend wird dann zum ersten Mal seit diesen langen Wochen wieder ganz normal im Stehen geduscht. Natürlich auch hier noch mit meiner Unterstützung – aber es ist ihm anzumerken, wie sehr er das genießt, wieder „auf den Beinen zu sein/ zu duschen!“
Mir wird an diesem Tag noch mal bewusst, wie wenig gemeinsame Zeit nun insgesamt über den Tag verteilt übrig bleibt. Wir hatten bisher von 9-19h Zeit, unterbrochen durch ein paar therapeutische Anwendungen. Nun sind von diesen 10h ca. 2,5h Therapie, 1,5h Nachmittagsangebot, 3h Essen in Gruppen. Dann vielleicht noch eine Stunde Mittagspause… bleiben effektiv eigentlich nur zwei Stunden, die man miteinander erleben kann, bzw. die er Zeit für Besuche hat…
Auf der anderen Seite wird uns nun schon gesagt, dass es so ist, dass Patienten, bei denen der Unfall schon mindestens 8 Wochen zurückliegt, ein Anrecht auf „nach Hause fahren am Wochenende“ haben: einmal im Monat ein langes Wochenende und ansonsten aber zumindest von Samstag nachmittag bis Sonntag Abend. WHOW! Wie schön! Auch wieder ein Stück mehr Lebensqualität, Normalität, Zusammenbringen von seinem Alltag mit dem Familienalltag. Wir freuen uns sehr. Katharina, die große Schwester, hat demnächst auf einem Sonntag Geburtstag – und welch ein (unerwartetes) Geschenk erwartet uns alle damit, dass wir Samuel dann bei uns haben können 🙂

An diesem Mittwoch gibt es zum ersten Mal Besuch auf der neuen Station. Und dann gleich von seinem „Klassenlehrer-Duo“, das er so liebt. Die beiden bringen eine von der ganzen Klasse gestaltete Broschüre mit. Vorne drauf sind Fotos mit der gesamten Klasse – jeder Schüler und Lehrer hält einen Buchstaben hoch, alles zusammen ergibt „Wir denken an Dich, deine Knobler“ (Knobelklasse – so heißt das Klassenprofil).Und in dieser Broschüre ist dann jeder Buchstabe dieses Satzes von jeweils einem Mitschüler gestaltet. Da wurde gemalt und geschrieben und gegrüßt. Aufmunternde Worte ohne Ende. Am einprägsamsten fand ich wie jemand schrieb: „Gott, Jesus, der Heilige Geist und die Klasse 6d sind bei dir!“ – Na, dann kann ja nix mehr schief gehen, dachte ich, wenn hier die Trinität sogar erweitert wird J Es ist einfach schön, diese Verbundenheit zu spüren – na klar ist im Schulalltag nicht alles eitel Sonnenschein – und mit manchen, die hier eine wirklich liebevolle Seite gestaltet haben, kann Samuel sich „im Normalzustand“ auch gut zoffen… wie oft haben wir solche Erzählungen gehört… Aber wenn es „hart auf hart kommt“ ist halt doch Zusammenhalt da. Und ich hoffe einfach, dass sich das insgesamt „tief in seiner Seele verankert“, wie viel Grund es gibt, sich von anderen getragen, akzeptiert und gemocht zu wissen. Möge er davon noch seinen Enkeln erzählen…!
Es ist ein launiges Stündchen mit den Lehrern: es wird sich viel erzählt, Kuchen gegessen und gelacht und beim Verabschieden sagen mir die beiden noch, wie sehr sie darüber baff sind, in welch umfassenden Maße ihnen hier schon wieder ihr „altbekannter Samuel“ begegnet. Dem kann ich nur zustimmen.
Was mir an diesem Tag weiter auffällt, ist, wie sich seine Gedächtnisleistung weiter verbessert. Er macht den Weg vom Therapeutenflur zu seinem Zimmer eigenständig (er war wohl etwas früher mit der Therapie fertig – ich wollte gerade los, um ihn dort abzuholen, als er mir schon entgegenfährt…) Natürlich war mir da auch etwas mulmig zumute, dass er sich einfach so auf den Weg gemacht hat – andererseits hab ich mich gefreut wie Bolle, dass er das schon so packt. Daran wäre vor ein paar Tagen noch nicht zu denken gewesen.

Ja, die ersten Tage auf der neuen Station sind ein „voller Erfolg“ und zeigen, dass es immer noch immer weiter voran geht. Wir sind so froh und dankbar. Gott erhört Gebete! Das ist kein Automatismus, aber erlebte Gnade – nichts Verfügbares, aber doch ein Wissen, dass Gott Gebet erhört und handelt, hier und heute. Wir sind glücklich!

die Zeit der „Quantensprünge“ ist vorbei…

Ich „fürchte“, diesmal wird’s ein recht kurzer Blog. Es ist so, dass sich die Tage immer mehr gleichen und auch Erzählungen wie „Heute konnte er zum ersten Mal dies oder das“ werden weniger, denn…
Im Grunde ist er schon ziemlich weit und ziemlich stark wieder hergestellt. Okay, die Bewegungsabläufe müssen runder und sicherer werden, aber ansonsten…
Dafür können wir natürlich sehr dankbar sein! Und sind es auch 🙂
Aber die Zeit, die jetzt kommt, mit den Tagen, die sich immer mehr gleichen, wird möglicherweise auch quälend: keine großen Fortschritte mehr zu erleben, in manchen Bereichen vielleicht länger warten zu müssen und so den Eindruck zu haben, es stagniert und geht gar nicht mehr vorwärts… das kann schon frustig sein, für ihn wie für uns. Das Thema „Kurzzeitgedächtnis“ ist nach wie vor ein „leidiges Thema“… Auch in diesen drei Tagen ist da keine wirkliche Weiterentwicklung zu beobachten. Wir brauchen weiter Geduld, viel Geduld – und den Glauben, dass es sich noch verändert. Es soll tatsächlich Menschen geben, die mehr oder weniger ohne Kurzzeitgedächtnis ein Leben führen (müssen/können), aber eigentlich dürfen wir erwarten (O-Ton der Ärzte), dass sich das bei Samuel noch wieder normalisiert. Nur wann?!?…
Andererseits gibt es eben auch Anhaltspunkte dafür, dass es „funktioniert“… wenn ich mit ihm kleine „Merkspiele“ mache (Gegenstände auf den Tisch legen, einige wegnehmen und fragen: was fehlt… – das läuft einwandfrei!), oder auch andere Dinge des täglichen Lebens dort… aber andererseits frage ich ihn täglich nach dem Namen seines Bettnachbarn und er hat jedesmal Fragezeichen in den Augen… Wir sind aber auch davon überzeugt, dass es eine Art Schutzfunktion ist… Schutz vor Überforderung vielleicht… noch nicht zu viele Eindrücke auf einmal verarbeiten zu können… und dann wird halt was weggelassen, etwas vergessen…
Am Freitag endet die Zeit des „Nahrungsprotokolls“, was auch wieder ein guter und wichtiger Schritt zurück ist: Samuels Nahrungsaufnahme und auch „Nahrungsabgabe“ (…) funktioniert einwandfrei, so dass hierüber nix mehr aufgeschrieben werden muss. Das ist auch vor allem für uns eine Erleichterung.

Am Samstag habe ich Samuel gefragt, ob es etwas gibt, was er sich wünscht – und ihm fällt sofort Schokolade ein. Also fährt Papa zu Lidl und besorgt natürlich nicht nur Schokolade, sondern diverse Köstlichkeiten. Das gefällt ihm. Ansonsten sind wir an diesem Tag mal wieder für eine kleine Rundtour mit dem Auto unterwegs. Das sind Momente, die Samuel sehr gut tun, wo sich aber auch die oben beschriebene Überforderung gleich zeigt… er kriegt viele visuelle Eindrücke und wenn wir uns dann unterhalten oder ich ihn etwas frage, kann er das nicht mehr so abspeichern, dass er es wenig später wiedergeben kann. Das sind dann einfach noch zu viele Eindrücke auf mal…

Am Sonntag mache ich einen Kurzbesuch, da ich vormittags Charlotte habe und nachmittags noch eine Geburtstagseinladung (mein zweitjüngstes Patenkind wird 14 Jahre alt!), wo ich dann doch auch gerne mal hin möchte. Von daher habe ich ihn nur in der Mittagszeit. An diesem Tag wird sein Umzug auf die normale Kinderstation „angebahnt“, die ersten Sachen kommen schon rüber. An der Zimmertür ist ein Dino – und die Zahl 15. Beides, so hab ich ihm eingetrichtert, muss er sich unbedingt merken, denn es ist ja wichtig, dass er weiß, wo sein Zimmer ist. Ich mach regelmäßige Kontrollfragen, aber nach einiger Zeit weiß er es nicht mehr… Naja, wird schon…
Am Nachmittag ist seine Patentante da – das ist prima. So habe ich Zeit, zum Geburtstag zu fahren, während Yvonne mit den drei Mädchen auf einem anderen Geburtstag ist. Ab und an versuchen wir, auch „Extratermine“ möglich zu machen, auch wenn es oft schwierig ist, die Zeit in Geesthacht dann auch noch unterzukriegen…
Aber wir haben ja mittlerweile ein bisschen Übung darin – und die Aussicht, dass es auf der anderen Station ab morgen dann auch noch ein bisschen flexibler laufen kann…
Am Montag ist dann auch noch ein „begleiteter Ausflug“ nach Winsen geplant – Samuel muss zu einem Augenarzt, um abzuklären, ob er Schwierigkeiten mit „Doppelbildern“ hat bzw. ob mit dem Sehen alles okay ist… Wir sind gespannt, beten und hoffen – und ich werde dann demnächst hier berichten.
Das war es diesmal mit dem Blog! Ihr dürft uns alle gerne weiter im Gebet begleiten und
– um ein gutes Ergebnis bei der augenärztlichen Untersuchung
– um Kraft, Energie und Ausdauer bei uns Eltern
– um liebevollen, geduldigen Umgang mit der Kurzzeitgedächtnis-Situation
– um ein wiederhergestelltes Kurzzeitgedächtnis
beten!

Benefizlesung am Nikolaustag (6.12.) in Hoopte – Presseinfo und Plakat

Benefizveranstaltung zum Nikolaustag

Der 27. September 2017 wird der Familie von Samuel Heins, 11 Jahre alt, in Erinnerung bleiben. Samuel wurde an diesem Tag bei einem Verkehrsunfall in Winsen/ Luhe schwer verletzt und erlitt ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Ein großer Schock für die Eltern, Geschwister und Angehörige. Mittlerweile ist er außer Lebensgefahr und der Heilungsprozess verläuft bisher positiv. Zurzeit ist Samuel in einer Reha-Klinik. So wie ihnen geht es auch anderen Familien von Unfallopfern und nicht immer hat man das Glück, zu überleben und ein Leben ohne Beeinträchtigungen und Einschränkungen weiterzuführen. Laut Statistik überleben 40 Prozent ein schweres SHT gar nicht, weitere 40 Prozent nur mit bleibenden Beeinträchtigungen und nur 20 Prozent genesen nahezu vollständig.

Es gibt zahlreiche Hilfsorganisationen, die Kindern und ihren Angehörigen helfen und vielfältige Unterstützung in solchen schweren Zeiten geben. Eine davon ist die Ronald Mc Donald Kinderhilfe in Hamburg. Dort können Familien von schwer kranken Kindern vorübergehend wohnen, um in der Nähe des Krankenhauses (UKE Eppendorf) und damit bei ihrem Kind zu sein. Im Ronald Mc Donald Haus bekommen Angehörige auch nach Bedarf soziale, psychologische und emotionale Hilfe von angestellten und ehrenamtlichen Mitarbeitern.

Mit der Benefizveranstaltung zum Nikolaustag, am 6. Dezember 2017 um 19:00 Uhr im Hofcafé Löscher, Hoopter Elbdeich 77 in 21423 Winsen möchten Kinder und Erwachsene ein Zeichen der Solidarität, der Anteilnahme und des Zusammenhalts setzen und den Eintritt in Höhe von 6,00 Euro Samuel Heins und anderen von SHT betroffenen Kindern zukommen lassen. 10% der Einnahmen an dem Abend gehen an die Ronald Mc Donald Stiftung.

Die teilnehmenden großen und kleinen Leser freuen sich auf zahlreiche Besucher. Spenden sind herzlich willkommen.

Der Familie Löscher-Bardowicks, Inhaber des Hofcafé Löscher, danken wir herzlich, dass die Benefizlesung dort stattfinden darf.

 

wieder zu zweit im Zimmer – und die Tage davor (14.-16.11.2017)

An diesem Dienstag wird Samuel morgens von seiner Patentante besucht, was uns als Eltern mal wieder ein wenig Gelegenheit gibt, zumindest ein paar ruhigere Minuten zu zweit zu haben. Nach einem gemeinsamen Frühstück machen wir uns dann zusammen auf den Weg in Samuels Schule: am Montag nach den Herbstferien – das ist nun auch schon vier Wochen her – war ich zuletzt dort. Der „Erstbesuch“ Mitte Oktober war emotional viel schwerer, da Samuels Situation in den Tagen noch viel unklarer war als mittlerweile. Nun können wir den Mitschülern sagen, dass Samuel schon dabei ist, das Laufen wieder zu lernen, dass er wieder spricht und eigentlich „fast alles“ bis auf das Kurzzeitgedächtnis schon wieder beinahe im ursprünglichen Zustand ist. Die Erleichterung darüber war in den Gesichtern abzulesen. Natürlich: auch jetzt können wir noch keine Prognosen abgeben, wann Samuel wieder entlassen wird – aber die Mitschüler spüren, dass es eine gute Perspektive gibt!
Nach diesem Besuch in der Klasse haben wir noch einige Minuten mit den Klassenlehrern – und auch hier ist es ein „Grundton der Erleichterung“, der das Gespräch bestimmt. Und die klare Aussage, dass einer Rückführung in die bisherige Klasse von Seiten der Schule nichts im Wege steht. – Wir sind weiter gespannt, hoffen und beten, dass es auch „von Samuels Seite her“ gut möglich sein wird, wieder in seiner bisherigen Klasse anzudocken…
Ende April 2018 steht eine Klassenfahrt an – und wir wollen fröhlich und hoffnungsvoll davon ausgehen, dass Samuel auch dabei sein wird. Deshalb wird Yvonne auch am Elternabend am heutigen Dienstag teilnehmen, wo es um diese Fahrt gehen wird. Und wir denken wieder mal: wie schön ist es und wie dankbar sind wir, dass wir solche Termine wahrnehmen dürfen – auch wenn Elternabende nicht zwingend zu den „erlabendsten“ Erlebnissen gehört, die Mann und Frau sich so vorstellen können. Aber alleine die Tatsache, DASS ist ein Geschenk! 🙂
Nach diesem Besuch in der Schule fahre ich nach Geesthacht, da ich nachmittags und abends noch Termine in Fuhlsbüttel wahrnehme. Die „Übergangszeit“ zwischen dem Vormittagsbesuch und meiner Anwesenheit nutzt Samuel, um „auszubüxen“… er düst unbemerkt von allen mit dem Rolli von Station weg und macht sich auf den Klinikfluren auf die Suche nach Papa, da er ja weiß, dass ich kommen will… – Das sorgt für ein „nicht so gutes Bauchgefühl“… diese Ahnung, dass er zwar sehr mobil ist, aber mental einfach noch nicht so weit, um Gefahren abzuschätzen… wir müssen ihn einfach nach wie vor stark im Auge behalten und deutlich absprechen, wann wer auf ihn acht gibt. Nicht mehr lange… hoffentlich… aber aktuell eben doch noch…
„Erschwerend hinzu“ kommt an diesem Tag, dass Samuel für ein Schlaf-EEG ein Schlafmittel bekommen hatte, das am Anfang noch nicht so anschlug… also mehr davon… tja… und jetzt ist er zusätzlich noch „durch den Wind“, hat leichte Halluzinationen usw…
Der Logopäde gibt uns an diesem Tag noch mal die Rückmeldung, dass er das mit dem „nicht vorhandenen Kurzzeitgedächtnis“ bei Samuel für sehr bedenklich hält… – Er hatte schon öfter Bedenken und schon öfter hat Samuel ein paar Tage später gezeigt, dass das alles unbegründet war. Darauf hoffen wir auch diesmal… Der Logopäde macht halt immer wieder den „Wochentags-Kurztest“ mit Samuel: „Welcher Wochentag ist heute?“ (Dienstag!) – Samuel antwortet: MONTAG. Dann wird er korrigiert. Wenn er dann eine Stunde später wieder gefragt wird, ist die Antwort wieder MONTAG. … Daran kann man viel festmachen… muss man aber nicht… ich denke mir so: Wenn ich in einer Klinik wäre, wo jeder Tag gefühlt gleich abläuft, wenn ich unter dem Einfluss von Schlafmitteln UND Clonidin wäre… dann würde ich auch die Wochentage durcheinander kriegen, ganz egal, ob ich ein Schädel-Hirn-Trauma hatte oder nicht… Naja, wie gesagt: ich bin eigentlich guten Mutes, dass sich das mit der Zeit gibt. Gleichzeitig ist es ja auch gut, dass es diese Rückmeldungen gibt und einfach Leute da sind, die für die (ausbleibenden) Entwicklungsschritte sensibilisiert sind und sich kleine Kniffe überlegen, um ihn zu fördern…
An diesem Tag bekommt unsere große Tochter ein Paket mit „kleinen Freuden“ für zwischendrin. Das ist toll! Denn so schön es ist, dass Samuel so viel Aufmerksamkeit und Aufmunterung bekommt: es ist gut, dass manche eben auch sie im Blick haben, die mit ihren jetzt bald 13 Jahren auch irgendwie sowieso schon „zwischen Baum und Borke“ ist… Wir möchten ja alle 4 Kinder im Blick haben – und Elisabeth ist gut versorgt, weil sie Mama hat, Charlotte hat ihre Kita und auch meistens viel Zeit mit einem von uns oder eben auch dem Nachbarsjungen, mit dem sie gerne spielt… Katharina hat da „ganz andere Ansprüche“, die wir oftmals in dieser Phase nicht so leicht bedienen können. Von daher: wie gut, dass manch andere das durch solche Gesten auch im Blick haben!!!
Ich bin, wie gesagt, an diesem Tag noch in Fuhlsbüttel, in meiner Gemeinde. Eigentlich noch bis Ende November freigestellt, will und kann ich heute bei zwei Terminen dabei sein: zunächst ist ein „Laterne-Laufen“ der Kita, wo ich für die „Start-Andacht“ mit verantwortlich bin. Das ist auch so rührend: mir werden ganz viele selbstgemalte Bilder der Kinder FÜR SAMUEL überreicht, eine Schachtel voll mit selbstgebackenen Keksen in Engelform und ein kleiner Holz-Engel, der für Samuel sein soll. Das ist wirklich schön. Und ich konnte den Kindern von dem Martin von Tours erzählen, der für andere ein Licht gewesen ist – und habe ihnen erzählt, dass ihre lieben Gedanken und Gebete für Samuel auch ein Licht gewesen sind… ich erzählte vom „Lichtbogen“, den Yvonne ganz am Anfang der Zeit auf der Intensivstation über Samuels Bett empfunden hat – wie ein Licht aus Gebeten für Samuel. Und ich habe den Kindern erzählt, dass ich fest davon überzeugt bin, dass ihre Gebete und guten Gedanken Teil dieses „Lichtbogens“ waren und eben auch Anteil der Genesung sind.
Nach einigen guten Gesprächen mit vielen Eltern der Kita ging es dann noch zur Jahresplanung 2018. Ein wichtiger Termin… und gleichzeitig noch so ungewiss… Ich habe im Januar/Februar „Teilzeit-Monate“, weil ich noch „Elternzeit-Plus“-Anteile für die Geburt von Elisabeth nehmen kann… und erst danach denke ich, wird Samuel wieder zu  Hause sein. D.h. auch für meine Jahresplanung, dass ich zumindest das erste Quartal nur mit angezogener Handbremse angehen kann. Aber ich versuche, zu planen und Ideen einzubringen. Dass man etwas nicht machen kann oder dann doch wieder streichen muss… diese Möglichkeit steht natürlich auch im Raum…

Der Mittwoch ist der letzte „Clonidin-Tag“. Wie schön! Endlich ist die lange Zeit (über 7 Wochen) der Medikation vorüber. Es dauert nun auch noch ein bisschen (ca. 1-2 Wochen), bis die Medikamente komplett aus dem Körper raus sind. Mein Gefühl ist aber: Wenn die Zeit vorüber ist, wird Samuel noch mal ganz andere Möglichkeiten haben, wieder „anzugreifen“ und sich in seine Welt zurück zu kämpfen!
An diesem Tag fahre ich wieder nachmittags zu ihm… vormittags hab ich dann noch das Vergnügen, die Post zu sichten. Positiv bzw. mega-erfreulich: Post für Samuel aus Schweden! Eines meiner „groß gewordenen Patenkinder“ ist gerade für ein Jahr in Schweden und hat Samuel einfach mal eine Karte geschrieben und ein „schwedisches Leckerli“ mit rein gelegt. Das war wirklich klasse!
Nicht so erfreulich bzw. „schwer schockierend“ war an diesem Tag Post der Krankenkasse: „Ihr Antrag auf Verdienstausfall für November wurde abgelehnt“ steht da. WTF!?!?!!! Über 2000,- € weniger Gehalt für November, da ich ja nun offiziell unbezahlten Urlaub nehme?!?… Au weia! Aber ein Anruf bei der Krankenkasse klärt sofort auf: ein wichtiges Dokument, um meinen Antrag zu bewilligen, war noch nicht eingetroffen, deshalb wurde das Ganze abgelehnt. Dieses Dokument ist mittlerweile da – und von daher steht der Genehmigung nix mehr im Wege. Puh… 2000,- € wären eine Menge Holz gewesen. Gott sei Dank!
Als ich bei Samuel bin, wird deutlich, dass er die „Schlupfwindel“ – eine Art Windel in Unterhosen-Form – mega peinlich findet und nicht mehr möchte. Das ist klasse! Denn das zeigt ja auch, dass er dabei ist, das nötige Körpergefühl wieder zu erlangen und auch, dass er in der Lage ist, seine momentane Situation immer stärker zu erfassen und zu reflektieren. Und so freue ich mich über seinen Protest. Das fand er vielleicht komisch – aber irgendwann wird er mich da verstehen!
Wir haben an diesem Nachmittag relativ ausgiebig „Stadt-Land-Fluss“ gespielt – etwas, das ihn ja auch in guter Weise herausfordert. Beim Buchstaben D fiel ihm kein Fluss ein, dafür kam der Beruf aber wie aus der Pistole geschossen: DIAKON!
Yay! 😉
Am Abend erreicht mich noch die Nachricht, dass die Pressetexte und die Plakate für die Benefiz-Lesung am 6.12. fertig sind. Eine wirklich tolle Aktion – ich bin mega dankbar und begeistert von den Menschen, die sich dafür einsetzen. Möge viel zusammen kommen, damit Samuel und anderen Kindern mit SHT geholfen werden kann (ich stelle nachher noch einen Blogtext mit dem Pressetext und einem Plakat hier rein)

An diesem Donnerstag müssen wir morgens zur Polizeiwache, unter anderem, um die Klamotten von Samuel wieder ausgehändigt zu bekommen, die er am Unfalltag trug. Dazu auch sein Fahrradhelm. Die Klamotten wurden am Unfallort aufgetrennt… – und sein Fahrradhelm war, bis auf einen kleinen Kratzer, unversehrt. Es war einerseits merkwürdig, dort auf der Wache zu sein – und andererseits haben wir auch gedacht: „wie gut, diesen Termin unter diesen Umständen wahrnehmen zu können“… Hätten wir seine Sachen von der Wache holen müssen in dem Bewusstsein, dass Samuel tot ist und wir ihn fortan nur auf dem Friedhof werden „sehen“ können… nicht auszudenken! Wir sind auch hier FROH UND DANKBAR!
Nachmittags sind wir zum ersten Mal zusammen mit Samuel im „Café Sonnenschein“ in der Helios-Klinik – und er genießt es sichtlich, sein erstes Eis seit so vielen Wochen zu essen. Na klar: Schokolade. 3 Kugeln. Es sei dir gegönnt, mein Sohn!
Nach einer Woche „Einzelzimmer-Dasein“ ist dieser Status nun wieder beendet… – ein 13jähriger Junge ist nun mit auf seinem Zimmer, der schon im UKE auf der Intensivstation Bettnachbar gewesen ist… allerdings haben beide in der damaligen Situation nichts voneinander mitbekommen, da beide tief sediert waren. Theo hat ebenfalls eine Kopfverletzung bzw. eine Hirnblutung gehabt, die allerdings nicht durch einen Unfall verursacht wurde. Theo war nur 9 Tage nach Samuel eingeliefert worden, blieb aber bis jetzt im UKE. Nichtsdestotrotz hat sich sein Zustand auch schon „mächtig/prächtig stabilisiert“, so dass sich beide jetzt miteinander auf den Weg der Genesung machen können und hoffentlich auch gegenseitig „anstacheln und anfeuern“, Stück für Stück wieder an das bisherige Leben anknüpfen zu können!
Vor uns liegt das letzte Wochenende auf dieser Station IMC, bevor es dann am Montag auf die „Station A“ (eine „normale Kinderstation“) geht…
In den letzten Tagen kommt von Samuel übrigens täglich die Frage danach, wann er denn wieder nach Hause kann. Das sind schwierige Momente. Aber gut ist es, dass ab jetzt (bzw. ab kommender Woche) auch wieder vermehrt Besuche von Freunden usw. möglich sind… was ihm hoffentlich auch ein Gefühl von Zuhause vermittelt. Und ich habe ihm gesagt, dass er einfach super gut bei allen Therapien mitmachen muss – umso schneller ist der Weg nach Hause möglich…

Der Schalk im Nacken ist zurück (11.11.-13.11.2017)

An diesem Samstag kommt es zum ersten Mal (nach nun ja schon fast 7 Wochen) zu einer „live-Begegnung“ mit einem Freund: Samuel bekommt Besuch von Leon!
Die beiden kennen sich noch gar nicht so lange. Es ist eine der „Zufallsbekanntschaften“, die in eine echte Freundschaft münden… Im August hatte Samuel einen Krankenhaus-Aufenthalt in Lüneburg (Wespengift-Allergie) – und machte dort Bekanntschaft mit seinem Bettnachbarn: eben Leon! Die beiden wohnen leider nicht wirklich dicht beieinander, aber das tut der Freundschaft keinen Abbruch (Whatsapp sei Dank!) – und auch in der Zeit der Krankheit hatte Leon viel an Samuel gedacht, immer eine Kerze für ihn angezündet und sich mega gefreut, als der Besuch nun anstand. Und beide waren voneinander begeistert, waren beglückt, sich wiederzusehen: mit dem Rolli über die Flure düsen, zwischendurch „Fang den Ball“ oder andere Dinge spielen, Quatschen und Quatsch machen… all das klappt an diesem Tag wunderbar – und auch ein gemeinsamer ausgiebiger Spaziergang bei gutem Wetter ist möglich.
Zwischendrin schauen auch noch Samuels Schwestern rein – die Wochenenden eignen sich für diese Besuche einfach am besten. Beide können feststellen, dass in der Woche seit dem letzten Besuch einfach auch eine Menge positiver Entwicklung passiert ist. Das erleichtert vor allem Charlotte (3J.) das Wiedersehen. Katharina wird das Wiedersehen eher „erschwert“, denn – wie sie sagt: „er hat schon wieder versucht, mich zu ärgern“. Wunderbar! Der Schalk im Nacken ist zurück – und ich hab schon vor ein paar Wochen gedacht: wenn sich die beiden wieder so richtig „amtlich zoffen“, bin ich total happy, denn dann weiß ich: alles ist wieder im Lot! – Bis dahin wird es noch ein bisschen dauern, aber es ist Woche für Woche ersichtlicher, dass es dazu kommen wird 🙂
Nach so viel Besuch ist Samuel an diesem Nachmittag aber wirklich auch total platt! Und so komme ich in den Genuss, einen ruhigen, gechillten Samuel zu erleben… wir kuscheln ausgiebig, quatschen ein bisschen, schauen KiKa und irgendwie fliegen die Stunden dann dahin.
Es ist für mich (wenn ich bei ihm bin, aber eben auch, wenn ich es aufschreiben möchte) deutlich, dass er zwar immer noch und immer noch gute Fortschritte macht, dass diese ab jetzt aber nicht mehr wirklich täglich deutlich hervortreten, denn er ist einfach schon auf einem sehr hohen Level! Dennoch: das „chaotische Kinderzimmer“ (als Bildwort für seinen „unsortierten Kopf“) sortiert sich immer weiter, Phantasiegeschichten oder unpassende Antworten werden immer weniger.
Kurz vor dem Abendbrot zeige ich ihm noch ein paar Fotos von ihm aus der Zeit nach dem Unfall (Intensiv-Station) – er fragt viel (und hat es doch wahrscheinlich morgen schon wieder vergessen) und es ist bei ihm eine Mischung aus „geschockt sein“ und „es nicht wirklich glauben können“ vorhanden. Seiner Hauptüberzeugung nach ist er auch vor allem deswegen im Krankenhaus, weil sein Bein gebrochen ist. Das ist ja auch nicht falsch und reicht für diesen Moment auch an „Erkenntnis über das Geschehen“ vollkommen aus.
Insgesamt macht es Spaß, so viele Gespräche mit ihm zu führen, Vergangenes hervorzuholen und auch das Aktuelle nach und nach einzusortieren. Die „Klaviatur seines Lebens“ wird wieder immer „tonvoller“, immer reicher: an Gefühlen, Gedanken, Äußerungen, Mimik und Gestik. „Willkommen zurück in unserer Welt“, denke ich jeden Tag wieder – und jeden Tag ein bisschen mehr!
Am Abend futtert Samuel wie ein Weltmeister und verschlingt diverse Brote, Obst, Schoki, Kekse… es muss ja nach der langen Schonkost durch den Schlauch auch einfach wieder ein bisschen Masse aufgeholt werden!

Auch der Sonntag ist ein „Besuchstag“: viel Verwandtschaft ist da. Und einen weiteren „Besuch“ (der etwas anderen Art) bekommt er dann nachmittags mit mir auch noch: ich bringe ihm sein Handy mit, auf dem unzählige WhatsApps in den vergangenen Wochen eingegangen sind. Es macht ihm noch Mühe, das alles selbst zu lesen (ist halt auch echt ne kleine Schrift und erfordert viel Konzentration), aber er lässt es sich begeistert vorlesen, freut sich über die Bilder und Sprachnachrichten. Aber ich nehme das Handy (NOCH) jeden Tag wieder mit nach Hause. Besser is das…
Wir bekommen das OKAY auf die Frage, ob denn ab jetzt auch wieder kleine Ausflüge (z.B. mit dem Auto) erlaubt sind… so kann ich ihm in den nächsten Tagen mal Geesthacht zeigen oder wir schauen uns den Sonnenuntergang über der Elbe an oder wie auch immer. Das ist toll. Er mag Auto-fahren und das gibt ihm ja auch einfach noch mal neue Möglichkeiten, seinen „Horizont“ zu erweitern.
An diesem Tag gibt es noch eine kurze Begegnung mit der Ärztin der neuen Station, die auch noch mal erklärt, dass es gut ist, dass Samuel noch eine Woche „unter der Obhut“ der Möglichkeiten auf der IMC-Station bleibt. Noch ist er ja noch nicht ganz „bewegungs-sattelfest“, was das Laufen angeht – und dann kann es z.B. nachts zu schwierigen oder gar gefährlichen Situationen kommen, wenn er alleine ist und auf Toilette möchte und dabei vielleicht stürzt… Hier auf der IMC bekommen die Pflegekräfte so etwas umgehend mit, auf der neuen Station wäre das eher nicht so. Wir können warten, haben eine ganze Menge Geduld gelernt und wünschen unserem Sohn einfach, dass er „step by step“ die Dinge bekommt, die ihn in der richtigen Weise fördern, aber nicht überfordern. Und da haben wir hier einfach insgesamt ein gutes Gefühl.

An diesem Montag übernehme ich mal eine „lange Schicht“; nachdem meine Frau in den letzten Tagen sehr wenig Zeit in Winsen hatte, ist es jetzt auch mal wieder dran. Aber: auch wenn ich von 12-18.30h bei Samuel bin, so hat er insgesamt 2,5h Anwendungen und Therapien, zwischendrin auch mal nur ne Viertelstunde Pause… so dass ich „gefühlt“ auch nicht wirklich viel mehr Zeit mit ihm verbringen kann als sonst.
Die Stationsärztin, die eine Woche Urlaub hatte, sieht ihn heute wieder und kann gar nicht richtig glauben, was/wen sie da vor sich hat. So viele Fortschritte in nur einer Woche: unbelievable!
Der Logopäde sagt mir, dass es manchmal schwierig ist, rauszufinden, ob Samuel „tüdelt“, oder ob er bewusst irgendnen Quatsch erzählt, um jemanden auf den Arm zu nehmen… Wie ich schon schrieb: der Schalk im Nacken ist zurück – und es ist gut, auch diese Wesenszüge bei Samuel wiederzuentdecken, auch wenn es das therapeutische Arbeiten nicht zwingend vereinfacht…
Das Thema „Aufmerksamkeitsspanne halten“ ist noch ein großes Thema bzw. eine große Aufgabe und Herausforderung für die nächste Zeit. Nichtsdestotrotz wurde mir heute schon gesagt: es besteht Schulpflicht – und von daher sei damit zu rechnen, dass Samuel ab der kommenden Woche auf der Station A auch wieder beschult wird. Zunächst gering… aber immerhin. „Die Pflicht ruft, mein Sohn“ („Lass sie nur rufen, Papa!“)
Wir sind gespannt!
An diesem Tag gab es noch eine Sache, die nicht unerwähnt bleiben darf: der erste Ausflug mit dem Auto – und dann gleich „miteinander essen gehen“, natürlich muss es dann die haute cuisine americano sein, zu deutsch: MCD…
2 Cheeseburger hat Samuel weggemampft und hatte sichtlichen Spaß an diesem Ausflug. Und ich war „glückselig“ in Anbetracht meines mampfenden (und auch Fanta-rülpsenden…) Sohnes. Ja, er wird auch wieder gesagt kriegen, dass er ein bisschen an seinen Eßmanieren in der Öffentlichkeit arbeiten darf. Aber für heute war ich einfach nur happy, dass es diesen Moment wieder gibt!
Gott sei Dank!

Röntgen – und ab in die Lauffreiheit (naja, fast…) (8.-10.11.2017)

An diesem Mittwoch hat Samuel Musiktherapie. Man hat Wind bekommen von seiner Musikalität – und es ist ja so: was einem Spaß macht und liegt, das fördert besonders. Insofern hatte die Musiktherapeutin sich gedacht, sie nutzt mal ein Schlagzeug…
Und, was soll ich sagen: das Ende vom Lied (…muaaah) war, dass er die Musiktherapeutin total verblüfft hatte: „ich mache sowas ja schon echt lange, aber das habe ich noch nicht erlebt: Samuel spielte 20min. Schlagzeug, als wäre nie etwas gewesen!“
Unser Wunderkind!
Gleichzeitig sind diese mega-Fortschritte aber auch ein bisschen „gefährlich“… wir geraten manchmal zu schnell in das Fahrwasser, ihn so zu sehen, als wäre er wieder der Alte – und dabei kostet ihn das alles noch so viel Kraft: diese mentale Aufmerksamkeit, auch motorische „Alltäglichkeiten“ sind eben tatsächlich alle noch „übungsbedürftig“. Es braucht seine Zeit – und er braucht eben auch immer wieder noch Ruhezeiten. So kommt von ärztlicher oder auch von pflegerischer Seite immer mal wieder der Hinweis, ihn nicht zu überfordern und Samuel keiner „Reizüberflutung“ auszusetzen. Rauszufinden, was fördert und was „überflutet“ erfordert sehr viel Sensibilität und Fingerspitzengefühl. Es kam auch noch mal der deutliche Hinweis, dass selbst, wenn Samuel es möchte, wir ihn auf keinen Fall laufen lassen dürfen, bevor nicht die Röntgenaufnahmen vorliegen und der Orthopäde sein „Go“ (muaaah, s.o.) gegeben hat. Naja, am Donnerstag ist Röntgen und dann ist es ja abzusehen…
Vor dem Röntgen gibt es noch ein leckeres „Abendbrot“ – dazu gehen wir heute in den Speisesaal (was übrigens in der derzeitigen Situation, in der Samuel sich befindet, auch noch eine „Reizüberflutung“ ist – das durfte ich mir Donnerstag in der Visite anhören und von daher war dieser Ausflug erstmal „einmalig“… naja, auch das ist abzusehen.
Es gab ein Käsebrot, Kakao – und: plötzlich pulte er einen Zahn aus seinem Mund hervor. Ich krieg die Panik und denk mir: boah, vielleicht ist bei ihm ihm Kopf doch irgendwas so verquer, dass er jetzt nicht mehr vernünftig kauen kann und sich die Zähne kaputt malmt… sah ihn vor meinem geistigen Auge schon als dauerhaften „Breikost-Verköster“… Bin dann mit ihm zurück auf Station, wo mir ein Pfleger in aller Seelenruhe erklärte, dass das ein Milchzahn ist, der einfach so rausfällt, weil es für ihn an der Zeit gewesen ist. Das wäre auch ohne Klinikaufernthaft so passiert.
Nennt mich paranoid…
Wieder was dazu gelernt.
Bevor ich gehe, gibt es noch eine gute Nacht Geschichte aus der Kinderbibel. Heute wünscht Samuel sich die Noah-Geschichte. Ich lese und sage hinterher zu ihm: siehste, Noah war ganz schön lange weg vom Fenster und musste sich danach alles neu erarbeiten. Da bist du also nicht der Erste, mein Sohn. Gott ist ein Gott der Neuanfänge – und er fängt auch mit dir gerne immer wieder neu an.
Mir ist schon klar, dass es bei Noah noch andere Ebenen zu entdecken gibt – und dass diese „Verkürzung“ nicht zwingend meiner „theologischen Bildung“ standhält. Aber ich fand das an diesem Abend sehr passend – und Samuels zufriedener Gesichtsausdruck gab mir recht…
Apropos Neuanfang: ein „Neuanfang“ für Samuel ist seit diesem Tag die Tatsache, sich alleine im Zimmer zurecht finden zu müssen, da sein Bettnachbar Janno nun wieder zu Hause ist. Also „Einzelzimmerdasein“ – zumindest vorübergehend, zumindest so lange, bis evtl. doch noch mal jemand Neues zu ihm kommt. Das ist schon irgendwie doof, denn gerade in den letzten Tagen, in denen Samuel immer wacher wurde, spielten die beiden schon mal Ball zusammen oder Janno hatte auch mal ein Auge auf ihn und konnte den Schwestern Bescheid sagen, wenn irgendwas war… Aber da muss er durch – und zumindest in der Zeit, in der Samuel schläft, schläft er auch gerne ungestört und alleine, von daher…

An diesem Donnerstag bin ich schon um 8.40h bei Samuel, denn um 8.45h soll es los gehen zum Röntgen. Der Krankentransport ist überpünktlich und so steigen wir beide (er auf der Krankenliege, ich daneben im Sitz) in den RTW, der uns zum Johanniter-Krankenhaus in Geesthacht bringt. Die erste Autofahrt seit dem Unfall, die er bewusst wahrnimmt…
Dort angekommen, kommt Samuel auch direkt ran – 10min. Sache – und ab geht’s wieder zurück in die Reha-Klinik. Um 9.15h ist er wieder auf seinem Zimmer. Hammer! Die Therapien sind an diesem Tag alle auf den Nachmittag gelegt, um ihn nicht unnötig zu stressen. Das Ergebnis der Röntgenaufnahmen (Schlüsselbeinbruch und Unterschenkel) gibt es wohl aber erst am Freitag…
Nun wird erstmal ausgiebig gefrühstückt. Ein Brötchen mit Nutella UND QUARK, so wie er es auch zuhause liebt, wird verschlungen. Hmmm, lecker!!!
Kurz darauf kommt Besuch: seine Patentante bringt ihm „NUTELLA to go“ mit – und er zerplatzt fast vor Freude. Aber vorher muss er das Geschenk natürlich aufessen… 😉
Seit ein paar Tagen – und so auch heute – sind Spiele aller Art wieder sehr gut zum Zeitvertreib. Fingerspiele, Brettspiele, Ballspiele, Wortspiele… irgendwie alles mögliche und irgendwie klappt das auch alles wieder. Das ist so schön zu sehen. Auffällig ist auch, dass Samuel seine „Ausdrucksformen“ wieder deutlich normalisiert. Die „Echolalie“ (also das Nachplappern dessen, was gesagt wurde) nimmt deutlich ab und das „Ich – Bewusstsein“ nimmt deutlich zu. Er stellt Fragen, erzählt situationsbezogen, erinnert sich an lange zurück liegendes und ab und an eben auch schon an Dinge, die am Tag davor oder davor waren.
Abedns gönnen Yvonne und ich uns endlich mal wieder ein paar Stunden außer Haus: Spaziergang und anschließende „Einkehr“ in einem Bistro, wo zumindest ein bisschen Zeit zum Reden ist. Sonst ist es ja in diesen Tagen und Wochen beinahe schlimmer, als wenn ich arbeite… das Gefühl, man sieht sich im Grunde nur noch, um sich die Klinke in die Hand zu geben…

Am Freitag höre ich gleich morgens, dass die Orthopädie die „schmerzgesteuerte Belastung“ der linken Seite freigegeben hat, was eben bedeutet, dass Samuel so peu a peu wieder an das Gehen gewöhnt werden darf bzw. diese Dinge trainieren muss. Aber auch hier: die Therapeuten geben das Tempo vor und wir dürfen im Prinzip nur das machen, was die Therapeuten auch tun. Also nicht: mit ihm einmal über die Station laufen… sondern erstmal das Aufstehen vom Bett, ein paar Schritte zum Rolli (gestützt) und das war’s.
Nichtsdestotrotz STAND Samuel heute zum ersten Mal auch wieder vor dem Waschbecken. Ein im wahrsten Sinne des Wortes „erhebendes (bzw. erhabenes) Gefühl“!
Leider habe ich an diesem Vormittag kaum Zeit mit meinem Sohn: ich komme um 10 (wollte um 9h da sein), muss um 12h schon wieder weiter. Von 10-11h ist er mit Therapien unterwegs… Tja, so kann es gehen, auch solche Tage gibt es. Unterm Strich bleibt es aber ja auch doch eine sehr intensive gemeinsame Zeit… keine Ahnung, an welche Momente aus dieser Zeit auf dieser Station er sich später erinnern wird, aber für mich bedeuten diese Tage und Wochen natürlich auch sehr viel „quality time“ mit meinem Sohn, die ich sonst nicht gehabt hätte. (dass ich mir, wenn ich hätten wählen dürfen, eher weniger Zeit mit ihm und dafür keinen Unfall gewünscht hätte, brauche ich glaub ich nicht extra zu erwähnen…)
Wir bekommen es in diesen Tagen mit einer „altbekannten Thematik“ zu tun: Samuel ist „trinkfaul“. Das wird natürlich in der Klinik noch mehr beäugt als zu Hause und so sind wir alle hinterher, dass er viel trinkt. Es ist ja gut, dass er wieder normal trinken kann, keine „Verdickung“ mehr braucht. Aber der Körper braucht eben auch seine Flüssigkeit. Und nicht nur Kakao oder Fanta.
Aber es ist schön, auf solche „Alltagssorgen“ mit ihm zurück zu kommen, denn das zeigt uns, dass vieles im Umgang mit unserem Sohn sich der Alltäglichkeit und der Normalität schon wieder annähert – viel schneller, als wir das je zu träumen gewagt hätten. Wie schön!
by the way: alles, was getrunken und gegessen wird, muss akribisch dokumentiert werden. Auch jetzt noch, wo „Vollkost“ freigegeben ist. Auf Nachfrage bekomme ich erklärt, dass das eben vor allem auch damit zu tun hat, dass es für diese Dokumentation „mehr Geld in die Klinikkasse“ bringt. Davon kann man ja halten, was man will… ich will mich darüber jetzt hier auch nicht weiter auslassen. Es zeigt mir nur „ganz am Rande“, dass es ja auch in solchen Kliniken an ganz vielen Stellen auch schlicht und einfach um wirtschaftliche Gesichtspunkte geht, gehen muss..
Vor uns liegt ein relativ entspanntes, ruhiges Wochenende – allerdings mit der Aussicht auf den ersten Besuch eines Freundes – nach nun schon 6,5 Wochen ein bestimmt sehr schönes Erlebnis. Aber dazu – und zu manch anderem – im nächsten Blog!

loslaufen wollen und nicht können… und die letzten Tage mit Janno (05.-07.11.2017)

An diesem Sonntag ist in der Fuhlsbüttler Gemeinde, in der ich „normalerweise als Diakon wirble“, der alljährliche Basar – ein „riesen Pohei“, auf das schon wochenlang vorher in der Gemeinde alles andere ausgerichtet wird… Aber in diesem Jahr bin ich dann mal nicht dabei. Fühlt sich ein bisschen merkwürdig an – aber so ist es. Dieses Jahr werden die Prioritäten eindeutig anders gesetzt!
So bin ich mal wieder in Pattensen im Gottesdienst, diesmal mitgestaltet von der Organisation „open doors“, die sich um verfolgte Christen in der ganzen Welt kümmert. Auch ein sehr wichtiges Thema, unter dem biblischen Leitwort: „wenn ein Glied (des Körpers) leidet, leiden alle anderen mit. Kirche als „ein Leib“, als Einheit. Auch das kann ich wieder gut auf unsere momentane Situation beziehen: wir leiden – und bekommen mit, wie andere mit-leiden, mitgehen, mitbeten, mithelfen. So oft schon habe ich das gesagt, aber es gibt eigentlich keinen Tag, wo mir das nicht dankbar bewusst wird.
Während ich in Pattensen bin, bekommt Samuel schon Besuch. Heute von meinen Eltern, die auch schon länger nicht bei ihm waren und Bauklötze staunen können über die Fortschritte, die er seitdem gemacht hat. Die beiden fahren vorher in Winsen rum und gabeln Katharina und Charlotte auf, so dass es heute zum erneuten Wiedersehen kommt, was allen gut tut!
Als ich nachmittags bei Samuel bin, bekomme ich noch den Hinweis von meiner Frau: nutzt mal noch die Trockenheit und das schöne Wetter und kommt ein bisschen raus. Das machen wir: Jacke & Mütze an, Rolli fertig, los! Und dann denke ich mir… warum eigentlich immer nur Rolli fahren? Und wir schieben zum Auto. Ich frag Samuel: hast Du Lust, mal im Auto zu sitzen? Er grinst und sagt JA! Also Rolli in den Kofferraum, Samuel auf die Beifahrerseite gehievt und ne kleine Runde gedreht. Natürlich auch Radio Hamburg angemacht. Das alles freut ihn sichtlich. Endlich mal wieder mehr sehen. Nach nur 10min. im Auto steigen wir aber schon wieder aus. Keine Reizüberflutung!
Danach ist er auch relativ platt, möchte gerne ins Bett zurück.
Insgesamt merke ich, wie mich heute seine noch etwas „ungeordnete Art“ wieder etwas verunsichert… Er spricht häufig von sich selbst in der 3. Person, plappert Papagei-artig alles nach, anstatt zu antworten oder selbst was zu sagen, oder er gibt unpassende Antworten, oder es wird „irgendwas zusammenhangloses“ erzählt.
Ja, ich weiß, man spricht jetzt vom „Durchgangssyndrom“ und ja ich weiß, das dauert seine Zeit und ja ich weiß, es ist in der Regel reversibel. Aber wer sagt mir, dass diese Regel auch bei ihm gilt? Immer wieder hatte ich diese Momente in letzter Zeit, dass ich dachte: was ist, wenn er bei dem stehen bleibt, wie es jetzt gerade ist? ängstlich Gott vertrauen.. ein Widerspruch? Aber genau das ist die (schwere) Übung, in die ich immer wieder geschickt werde… Ein großes Ziel und eine große Hoffnung vor Augen (er wird wieder gesund, ein „fröhliches Schulkind“) und dennoch von Tag zu Tag schauen, dennoch nur an jedem Tag sehen, was gerade geht oder eben noch nicht geht. Das ist hart…
Und ich muss es aushalten, dass manche Tage ohne „happy end“, ohne befriedigende Antwort zu Ende gehen… Der heutige Tag geht sogar noch mit einem Schrecken zu Ende: Zuhause sind alle ganz aufgelöst, weil vom Plastik-Babylöffel, mit dem Elisabeth ihren Abendbrei bekommt, die Spitze fehlt… Abgekaut? Runtergeschluckt? Wohlmöglich mit scharfen Kanten? Au wei… innere Verletzungen? Der nächste „Sorgenfilm“ läuft innerlich ab… Aber bei allem Hin- und Her und aller Unsicherheit entscheiden wir uns, abzuwarten und sie zu beobachten. Um es vorweg zu nehmen… die Nacht war okay und das Baby ist nach wie vor wohlauf. Irgendwann war dann aber tatsächlich das Stück Löffel in der Windel… Tssss…

Am Montag ist Samuel sehr beweglich und unruhig, will immer einfach los. Man beschließt, für ihn eine andere Art der „Fixierung“ bzw. Gurt im Rolli zu haben, eine, die eben auch den Brustbereich „festhält“. Nicht besonders schön, aber da Samuel gerade dabei ist, seinen „Rolli-Führerschein“ selbstständig zu erneuern (er kurvt filigran um kleine Ecken herum, weiß genau, welches Rad er wohin drehen muss, um in bestimmte Richtungen zu kommen…), kann es auch schon mal sein, dass er sich im Rolli aus dem Zimmer bewegt – und wenn er dann nicht vernünftig „angeschnallt“ ist, kippt er evtl. beim Versuch, aufzustehn, aus dem fahrbaren Untersatz. Auch nicht schön…
Bei einem gezielten Ausflug mit dem Rolli schauen wir uns die „Station A“ an, das ist die normale Kinderstation, auf die Samuel ab dem 20.11. verlegt wird. Dort gibt es dann auch „Rooming in“, also Einzelzimmer mit „Elternteil-Bei-Bett“. Und ein Spielzimmer. Hach… wenn wir erst mal da sind… dann wird er hoffentlich schon einen ganz neuen Level an Beweglichkeit erhalten haben. Wir freuen uns darauf.
Bezogen auf meine Ängste von gestern ist Samuel heute schon „ganz anders drauf“: Er suchte das Gespräch mit seinem Bettnachbarn, stellte Fragen, scherzte und macht einfach weiter irre viele Fortschritte, auch im kognitiven Bereich. So dass uns der Mund offen stehen bleibt. Ich stehe im Badezimmer, sehe, wie er sein BVB-Kissen durch die Luft wirft und im Zimmer fliegen lässt, so dass es weit weg von ihm landet. Ich sage: „Kann man machen“. Er antwortet laut: „Muss man aber nicht“ – und lacht sich schlapp. Einfach schön 🙂
Die Logopädin meinte heute, Samuel würde sie an einen Jungen erinnern, der vor ca. einem Jahr da war: 12 Jahre alt, auch mit einem schweren Schädel-Hirn-Trauma. Nach 4 Wochen auf der IMC (die Station, auf der Samuel auch gerade ist) war er noch für ein paar Wochen auf einer normalen Station und ging dann gesund nach Hause. Sie meinte, es würde sie mittlerweile nicht mehr wundern, wenn Samuel eine ähnliche Entwicklung macht. 😊 Doch, ich muss sagen: WUNDERN im Sinne von WUNDERBAR FINDEN, im Sinne von nicht wirklich damit rechnen, es nicht wirklich erwarten… würde ich das immer noch. Es wäre natürlich zu schön!
Abends sind wir noch im Speisesaal – er hat Lust auf Nudelpfanne mit Geflügelfleisch. Das wird dann mit ein bisschen Milch versehen und püriert und: OOOOHHH das schmeckt. Nen riesen Teller hat er davon verputzt. Super! Ganz anders als Zuhause 😉
Dann werden wir dort „abgefangen“ von der Logopädin, die uns gesucht hat, weil sie für Samuel einen neuen Rolli gefunden haben; einen, der die obigen „Gurt-Ideen“ beinhaltet. Damit muss er dann auch erstmal neu fahren üben, aber das ist ein Projekt für morgen. Heute geht’s noch ans Zähneputzen (im Rolli, vorm Waschbecken) incl. Mund spülen (ohne runter zu schlucken! Macht Samuel prima!), Schlafanzug an, Lied, Gebet – und gute Nacht!

Am Dienstag fahre ich vormittags hin. Mir wird auf der Fahrt bewusst, dass es jetzt auf den Tag genau schon 6 Wochen sind, seitdem uns der Unfall aus allem heraus gerissen hat. Aber in den 6 Wochen ist so viel Gutes passiert, dass ich mir sage: wenn die Prognose lautet „mit 6 Monaten Reha müssen Sie rechnen“, dann haben wir incl. der Zeit auf der Intensivstation mit etwa 30 Wochen zu rechnen, haben jetzt also 1/5 geschafft. Eine harte Zeit, in der aber unterm Strich das Positive überwog. Und dann schaffen wir die restlichen 80% der Zeit auch noch…!!!
Die Schulter (Schlüsselbeinbruch links) wurde heute morgen getapet (d?), das ist nach so vielen Wochen Unbeweglichkeit durch den Stützverband wieder ein Stück mehr Mobilität, die Samuel gut tut. Das Bein (Fraktur Unterschenkel links) ist ab jetzt auch fast immer ohne Schiene. Am Donnerstag ist Kontroll-Röntgen, wir hoffen, dass alles gut verheilt ist, so dass dann auch die Belastung der linken Seite Stück für Stück erfolgt und er das Laufen wieder wirklich üben darf. Er würde jetzt schon, wenn man ihn ließe…
Die Logopädie gibt die „Vollkost“ frei, d.h. ab jetzt muss nix mehr püriert werden. Wieder ein Stück weiter – auch hier: die Normalität kehrt zurück, wie schön! 🙂
Interessant ist, dass er immer mal wieder Momente hat, wo er „irgendwie“ versucht einzuordnen, was mit ihm los ist. Heute gab es eine Szene, in der er mit Janno, seinem Bettnachbarn Ball hin- und herwerfen gespielt hat. Dabei hat Janno ihn wohl am Kopf getroffen, worüber Samuel sich danach furchtbar bei mir beschwert hat: Janno habe ihn so am Kopf getroffen, dass das richtig weh tat – und er fasst sich dabei an seine Narben auf der Stirn. Also immer mal Momente, in denen das „AUA am/im Kopf“ bewusst wird und versucht wird, einzuordnen.
Ungeachtet dieser „Ballwurf-Erfahrung“ gibt es noch ein schönes Zitat für mich mit auf dem Weg. Heute vom Oberarzt, der mir im Rahmen eines „small talks auf dem Flur“ sagt: „Herr Heins, ich glaube, Samuel geht gesund nach Hause!“ – und strahlt dabei.
Ach wie cool ist das! Da kann ich auch seine immer noch vorhandene „Kopf-Unsortiertheit“ wieder besser nehmen.
An diesem Tag haben wir einen „Garten-Engel“, der bei uns Buschwerk beseitigt und einen Putz-Engel, der bei uns saugt und wischt. Diese Kleinigkeiten sind so viel wert – und im normalen Alltag ja auch schnell selbst gemacht. Aber momentan… wir sind einfach immer wieder dankbar über all diese Helfer und Hilfen. Ich kann gar nicht alle und alles hier immer erwähnen, deshalb gibt es nur manchmal exemplarische Beispiele. Aber es sind so viele und es tut so gut und gibt die Kraft, die wir in diesem Marathon (Vergleich: von 42,195km haben wir möglicherweise gerade mal 8,5km geschafft und fühlen uns jetzt oft schon ausgepumpt) wirklich immer wieder brauchen. Danke! 🙂
Nachmittags erreicht uns noch eine Mail von Samuels Klassenlehrern. In der kommenden Woche werde ich mal wieder in Samuels Klasse gehen und von seiner aktuellen Entwicklung berichten – um dann auch hinterher mal mit den Lehrern über den „Weg zurück“ zu sprechen. Abends wird dann noch ein Elternabend sein, wo es schwerpunktmäßig auch um die Klassenfahrt Ende April gehen wird. Noch vor ein paar Wochen hätte ich nicht zu träumen gewagt, dass diese Klassenfahrt für Samuel je relevant sein könnte. Aber mittlerweile.. denke ich, wir sollten an diesem Elternabend teilnehmen!
Apropos Elternabend: an diesem Dienstag bin ich das erste Mal seit sechs Wochen wieder in der Kirchengemeinde in Fuhlsbüttel, da dort ein Elternabend für Konfi-Eltern stattfindet. Mir bedeuten diese Elternabende immer viel und es gibt auch viele aus der Elternschaft, die unsere Situation „mit auf ihr Herz genommen haben“. Von daher war es mir wichtig, hinzufahren. Und: es hat sich gelohnt. Es war gut – und solche kleinen Termine wird es in den nächsten 3 Wochen immer mal geben, sofern sie familiär passen. Das hilft mir, wieder langsam reinzukommen und eben auch mal was anderes zu denken und zu sehen. Und das kommt dann wohl auch wieder Samuel und der ganzen Familie zugute, denke ich.

So, morgen geht’s weiter. Im nächsten Blog-Eintrag lässt sich dann etwas über seine erste Musiktherapie-Stunde lesen. Eine Stunde, in der er wieder mal „alle Erwartungen übertrifft“..