An diesem Ewigkeitssonntag haben wir unseren Sohnemann erneut zu Hause. Nachdem Yvonne den Samstag über „unpässlich“ war, hatten wir uns eigentlich auf einen schönen, ruhigen, gemeinsamen Sonntag gefreut. Wir hatten auch kurz erwogen, gemeinsam mit Samuel in den Gottesdienst zu gehen (er meinte: „wenn da doch so viele für mich gebetet haben, ist es doch schön, da zu sein“), aber am Ewigkeitssonntag sind die Gottesdienste in der Regel nicht so „familiengeeignet“ und darüber hinaus dachten wir auch, dass es evtl. etwas viel „Menschenauflauf“ für Samuel sein könnte… auch wohl viele Leute, die ihn hinterher ansprechen – und er ist ohnehin nicht so der Typ, der gerne viel von sich erzählt… Also vertagen wir die Idee.
Die Idee eines gemeinsamen Sonntages müssen wir dann auch leider ziemlich schnell vertagen: Yvonne bekam einen Anruf, dass ihre Großmutter möglicherweise ihre letzten Atemzüge macht… Sie ist 87 und schon einige Zeit sehr pflegebedürftig, kurzum: es war irgendwie irgendwann abzusehen… Aber wenn es dann soweit ist, kommt es ja doch plötzlich, unerwartet und wühlt einfach sehr auf… Naja, Yvonne entschied sich, zu ihr zu fahren und sich von ihr zu verabschieden…
So blieb ich mit den 3 Kindern alleine (Elisabeth fährt ja mit ihren 8 Monaten immer mit Mama mit). Und wir machten das Beste aus dem Tag! Samuel genoss es, mal wieder in der Badewanne zu plantschen und ansonsten, ausgiebig und völlig stressfrei mit seinen beiden Schwestern zu spielen. Mal mit der jüngeren, mal mit der älteren, mal mit beiden. Herrlich. Und ich hatte zwischendurch sogar mal Zeit, um ganz in Ruhe in der Wochenend-Ausgabe des Abendblatts zu schmökern. Herrlich! Und wieder dachte ich: vor ein paar Wochen hätte ich mir niemals (!!) träumen lassen, dass wir jetzt schon so viel Normalität erleben können, wie wir es gerade tun.
Nachmittags haben wir dann noch ein bisschen im Garten gespielt, und anschließend den warmen Kaminofen in der guten Stube genossen, zusammen mit Kakao und Keksen. Außerdem hatte ich mir in den Kopf gesetzt, dass es heute ein Sonntagsessen geben soll.. und pünktlich um 18h stand das von Papa selbstgekochte Menu auf dem Tisch. Ich war fast ein bisschen stolz auf mich.
Danach ging es dann zurück nach Geesthacht. Samuel war anfangs etwas traurig darüber, aber mit den zurückgelegten Kilometern verflog auch die Traurigkeit und mit einem Gute-Nacht-Lied und Gebet konnten wir uns dann bis zum nächsten Tag verabschieden.
Von verflogener Traurigkeit konnte bei Yvonne leider keine Rede sein… Es ist wohl immer eine schwer zu beschreibende Traurigkeit, die einen erfasst, wenn man sich von einem geliebten Menschen verabschiedet – in dem Wissen: es KÖNNTE höchstwahrscheinlich die letzte Begegnung zu Lebzeiten gewesen sein – und dennoch… man weiß es einfach nicht, wie lange sich diese Phase vor dem endgültigen Sterben noch hinzieht… – Mit diesem Gefühl ging es in die Nacht – und mit der Ahnung, dass es jeden Moment die eine endgültige Nachricht geben könnte…
An diesem Montag beginnt für Samuel wieder „der Ernst des Lebens“ mit Namen Schule! 😉 Ja, so ist es: auch in Geesthacht sitzen Lehrer, die sich freuen, wenn solche Jungs wie unser Sohn wieder geistig soweit fit sind, dass man sie mit Aufgaben aus der Mathematik, der deutschen und der englischen Sprache herausfordern kann. Natürlich am Anfang nur leicht dosiert – aber Tag für Tag steigernd. Am Anfang noch in Einzelunterricht und dann irgendwann, wenn die Auffassungsgabe, die Konzentrationsfähigkeit und die Ausdauer so weit sind, geht es auch in Gruppenarbeit weiter. An diesem Montag stand auch erst mal ein Gespräch mit dem Lehrer an, in dem ich darstellen musste/durfte, welche „schulischen Herausforderungen“ Samuel besonders mag – bzw. an welcher Stelle bisher unser Sohn für die Schule bzw. für die Lehrer auch eine Herausforderung gewesen ist…
Ansonsten verlief dieser Montag für Samuel verhältnismäßig unspektakulär… Ach ja: am Nachmittag ging es wieder in den Bewegungsraum und es wurde eineinhalb Stunden Fußball gespielt, getobt usw. Das tut ihm, bei aller Bewegungseinschränkung, wirklich sehr gut.
Und dann… war dieser Montag tatsächlich ein „Ewigkeitsmontag“, also der Tag, an dem die Oma von Yvonne ihren letzten Atemzug tat und von diesem irdischen Leben ins ewige Leben ging. Ja, sie war alt und: ja, in letzter Zeit war der Kontakt nicht mehr so intensiv… aber dennoch: dieser Abschied in genau dieser Zeit, wo Yvonne ohnehin nicht mit „Extra-Power“ ausgestattet ist, sondern ohnehin viel „schultern“ muss, hat sie schon umgehauen. Für sie war dann auch recht schnell klar, dass sie am nächsten Tag, am Dienstag also, auf jeden Fall mit ihren Schwestern zusammen zu dem Altenheim würde fahren wollen, um dort das Zimmer der Oma aufzulösen. Das hilft beim Abschied-nehmen: sowohl das Zusammensein mit den eigenen Schwestern als auch das liebevolle Erinnern anhand von Gegenständen, die etwas über gemeinsam erlebte Zeiten oder einfach auch über die Art der Oma erzählen können…
An diesem Dienstag also hatte ich einen „Fulltime-Samuel-Dienstag“ und fuhr schon früh nach Geesthacht. Unsere Große (Katharina) hatte leider schon seit Montag mit Magen-Darm zu kämpfen, so dass sie nicht zur Schule konnte… glücklicherweise hatten wir Unterstützung… also jemanden, der bei Katharina bleiben konnte… Das ist in solchen Momenten ja schon eine Herausforderung – und ich bin sehr gespannt, wie wir solchen Herausforderungen ab der kommenden Woche begegnen, wenn ich wieder arbeiten muss. Zumal der Advent ja innerhalb einer Gemeinde noch so das eine oder andere „Extra“ bereithält… Aber auch solche Zeiten gehen vorüber… Na, jedenfalls kann ich in diesem Jahr so gar nicht behaupten, mich auf die Adventszeit zu freuen. Es ist ohnehin immer eher eine gehetzte Zeit – und in diesem Jahr hab ich überhaupt noch nicht mal den Hauch einer Erwartung daran, dass es „besinnliche“ Momente geben könnte. Aber wer weiß… vielleicht werde ich ja positiv überrascht…?!?
Zurück zum Tag: Es steht die – einmal wöchentlich stattfindende – große Visite an und da sich bei uns ein paar Fragen angesammelt haben, nehme ich diesen Termin auch gerne wahr…
Z.B. wurde uns erklärt, dass es verschiedene Phasen gibt – und in der „Akut-Phase“ in der sich Samuel befindet, ist es noch nicht erlaubt, über Nacht zuhause zu sein (am Wochenende). Würden wir das anstreben wollen, müsste er in die nächste Phase eingestuft werden… das hätte aber z.B. auch zur Folge, dass es keine Einzeltherapien mehr gibt, sondern nur noch Gruppentherapien. Und das ist momentan noch nicht das Beste für ihn – oder anders formuliert: so lange man ihm intensive Einzeltherapien zugute kommen lassen kann, sollte man das auch nutzen, weil er da unterm Strich länger etwas von hat, als wenn er frühzeitiger mal über Nacht zuhause bleiben darf.
Was soll’s?! Steht Papa halt weiterhin Samstag und Sonntag so gegen 5.40h auf. Kein Ding 😉
Ich will jetzt hier auch nicht alles aus der Visite wiedergeben. Nur vielleicht noch, dass uns gesagt wurde, dass es wohl im Januar größere Testungen geben wird, die dann auch Aufschluss über die noch benötigte restliche Zeit geben wird. Vor Ende Januar ist keinesfalls mit einer kompletten Rückkehr nach Hause zu rechnen. Das war uns irgendwie auch schon vorher klar, aber so ein kleines bisschen Rest-Illusion hatte ich mir BIS ZU DIESEM MOMENT bewahrt, bewahren wollen. Naja, was soll’s… die paar Wochen mehr oder weniger schaffen wir auch noch!!!
Am Nachmittag haben wir kurzerhand noch einen Kurzausflug nach Hause gemacht! Yvonne war inzwischen wieder zurück in Winsen – und wenn Mama schon nicht nach Geesthacht kommen kann, kommt der Sohn halt zur Mama. Die Freude war auf beiden Seiten riesengroß. Es waren zwar nur eineinhalb Stunden – aber besser als nix, fanden wir alle!
Eine Nachbarin, die das alles auch sehr mitgenommen hat, wurde kurzfristig zu uns nach Hause „beordert“ und durfte einfach auch „Bauklötze staunen“ – in diesem weit fortgeschrittenen Zustand hätte sie Samuel nie und nimmer erwartet!
Zurück in Geesthacht ging es nach diesem insgesamt dann ja doch auch wieder vollen Tag schnellstens ins Bett, wobei: seit heute gibt es einen neuen Zimmernachbarn! Im Nachbarzimmer campiert seit heute der Junge, der schon mit Samuel vorher zusammen auf einem Zimmer war – sowohl im UKE als auch auf der ersten Station in Geesthacht. Nun haben die beiden sich wieder und können sich gegenseitig beim „Fortschritte machen“ anfeuern 😉

