Die Zeit fürs Blogschreiben wird immer knapper (29.11.-1.12.2017)

Eigentlich sollte dieser Blog-Eintrag schon seit Freitag Abend (oder Samstag vormittag) stehen. Aber ich merke: jetzt ist Adventszeit, dazu kommt die Tatsache, dass ich seit dem 1.12. wieder arbeite – und zu guter Letzt ist unser Sohnemann nun ja auch am Wochenende zuhause, was aber nicht unbedingt mehr Zeit fürs „in Ruhe Blog-Schreiben“ bedeutet.
Möglicherweise wird es in den nächsten Wochen immer mal „leicht verspätete Berichte“ geben. Ich merke, dass ich da selbst in einem kleinen Zwiespalt stecke… einerseits schreibe ich diesen Blog ja nicht, um irgendwelche Erwartungen zu erfüllen oder es irgendjemandem recht zu machen (auch wenn mich natürlich freut, dass sich viele sehr gerne diesen Blog durchlesen; dass sich manche an der Art und Weise meines Schreibens erfreuen; dass etliche das Beschriebene auch als Grundlage für ihr Gebet nehmen). Aber andererseits WILL ich diesen Blog auch schreiben, um es vor allem für Samuel später leichter zu machen, diese Zeit, die immer ein bisschen im Dunkeln für ihn bleiben wird, zu erinnern und nachvollziehen zu können, was geschehen ist.
Nun denn… genug des Vorworts.
Das Gute am „verzögerten Schreiben“ in dieser Phase ist, dass ja gar nicht mehr täglich so viel passiert, dass man wirklich mega in der Entwicklung hinterher hinkt, wenn man mal ein paar Tage nix hört. Das ist das Gute – aber gleichzeitig auch das Schwierige, weil es uns in der Realität dessen, wie es mit Samuel vorangeht, immer mehr Geduld abverlangt. Die Fortschritte werden immer langsamer, da das, was nun noch wiederhergestellt werden muss, die Prozesse im Gehirn sind, die am langwierigsten sind und einfach nicht Tag für Tag oder Woche für Woche große Erfolgserlebnisse bringen. Und Geduld zu haben ist nicht einfach.
Gestern kam mir der Vergleich aus meiner Freizeitjoggerei… ich habe längere Zeit wirklich täglich Zeit fürs Laufen investiert und bin eine Zeit lang auch mal regelmäßig 8-12km gelaufen. Damit ist es jetzt leider seit längerem vorbei… mein innerer Schweinehund bewacht den Raum, in dem meine Laufklamotten sich befinden, sehr gut… Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus…: ich stelle mir vor, wie ich nach längerem Nicht-Laufen und aus-der-Übung-sein mir in den Kopf setze, plötzlich 14km zu laufen. Schon das ist sehr anspruchsvoll und nahezu unrealistisch… Und ich fühle mich manchmal, als wäre ich kurz vor dem Ende der 14km, hab im Prinzip kaum noch Reserven – und in den letzten Minuten bzw. auf den vergangenen 1-2km deutet sich an, dass sich die Strecke verlängert: es werden nicht 14, sondern 42km. Ein Marathon. Das hab ich noch nie gemacht. Und ich bin doch jetzt schon alle… Aber es muss ja weitergehen. Und irgendwie werde ich, werden wir die 42km packen. Ja, so fühle ich mich manchmal.
Gut, dass es Weggefährten gibt, die so etwas zu „riechen“ scheinen. So habe ich vor einigen Tagen auf Facebook als Reaktion auf einen meiner Blog-Einträge einen Text von Jürgen Werth gepostet bekommen, der mich so berührt hat, dass ich ihn hier gerne auch noch mal einstellen möchte:

Weit, dieser Weg ist weit.

Du siehst nur Steine, Staub und Sand.

Zeit, dieser Weg braucht Zeit.

Du fragst: Reicht wohl der Proviant?

Schwer der Kopf, schwer der Schritt.

Nachts träumst du dich heimlich nach Haus.

Schwer das Herz, schwer der Blick.

Warst nie hier und kennst dich nicht aus.

 

Endlose Tage, mühsame Tage,

ängstliche Fragen: Wo gehst du hin?

Fremde Gesichter, leere Gesichter.

Keiner erkennt dich. Gehörst du hierhin?

 

Weit, dieser Weg ist weit.

Das Ziel liegt hinterm Horizont.

Zeit, dieser Weg braucht Zeit.

Du ahnst jedoch, daß er sich lohnt.

Weites Land, neues Land.

Nur durch Staub und Sand kommst du hin.

Weitergehn, weitersehn.

Ziele geben Wegen den Sinn.

 

Holprige Wege, stolprige Wege.

Bleiben wär leichter, doch dann ändert sich nichts.

Einsame Straßen, zweisame Straßen,

unter den Füßen verwandeln sie dich.

 

Weit, mancher Weg ist weit.

Doch nie gehst du ihn ganz allein allein.

Zeit, mancher Weg braucht Zeit.

Doch Gott wird dein Gefährte sein.

Liebe trägt jeden Schritt.

Du lernst laufen, leben, vertraun.

Jeden Schritt geht er mit.

Und führt dich vom Glauben zum Schaun.

Ja, Jürgen, da hast du etwas Gutes und Treffendes beschrieben. Vielen Dank dafür! 🙂

Was passiert ist in diesen Tagen von Mittwoch bis Freitag? Ach ja… ein paar Dinge möchte ich auch noch skizzieren…
Am Mittwoch habe ich mich intensiv unserer großen Tochter gewidmet. Für Mathe lernen (ist für mich als altem Mathe-LK’ler immer ein Genuss, für meine Tochter weniger) und Einladungen am PC für ihre Geburtstagsparty gestalten. Mein Kind wird 13!… Whow. Plötzlich Teenie. Aber dazu mehr im nächsten Blog. Während wir uns diesen Dingen widmen, geht Samuel mit Mama shoppen: neue Schuhe müssen her! Der Nachmittag in Geesthacht vergeht so wie im Flug.
Was seine Entwicklung betrifft, so ist es wie oben beschrieben, eben manchmal auch mühsam: Fortschritte? Es fühlt sich eher wie Stagnation an. Es sind immer wieder dieselben Punkte, an denen ich mich über ihn wundere. Langsam ist es auch nicht mehr „lustig“, „süß“ oder „niedlich“. Es wirkt befremdlich… dass er kaum etwas behalten kann von dem, was ihm erzählt wird; dass er oft sinnentleerte Fragen stellt oder zumindest Fragen auf Kleinkind-Niveau, wo ich denke „HÄ? Wieso fragst du das jetzt?“ („Papa, wozu gibt es eigentlich Autos?“), dass es wenig „AKTION“ in seinem Handeln gibt, sondern viel Reaktion – und die eben auch oft nicht adäquat oder eben auch verzögert… Ich will mich festhalten an der Aussage, dass es eben Geduld erfordert, dass es lange dauert und dass er durchaus in der Lage sein wird, wieder schulfähig zu sein… aber es fällt oft so schwer…
Andererseits geht es mir auch immer noch oft so, dass ich staune, über welche Dinge ich mich jetzt schon aufregen DARF. Und das will ich mir dann eben auch immer in Erinnerung rufen! BIS HIERHER HAT DER HERR GEHOLFEN! Er wird es auch weiterhin tun!
Am Abend fahre ich noch zum gute Nacht sagen zu ihm und lasse mir noch erzählen, dass er an diesem Tag Schwimm-Therapie hatte, was er sehr genossen hat. Normalerweise ist das nicht „drin“, aber es gibt ja manchmal auch Ausnahmen. Wie schön 🙂
Der Donnerstag zog so ins Land, ohne weitere bemerkenswerte Erlebnisse.

Am Freitag hatte ich nun meinen ersten Arbeitstag. Freitags bin ich häufig als „Kita-Preacher“ on tour und gestalte kurze Andachten für Kinder in der Krippe (!) und in der Kita. Das war für den Anfang nach so vielen Wochen auch eine dankbare Aufgabe. Hab ich wirklich sehr gerne gemacht.
Nachmittags hatten wir dann einen kleinen „Schocker“ zu verarbeiten: eigentlich war unser Plan, dass Yvonne Samuel so gegen 14h abholt und mit nach Hause nimmt, denn Freitags nachmittags passiert eh nix mehr auf Station bzw. es gibt auch keine Therapien mehr. Und da er ja schon am vorigen Wochenende nach Hause durfte und auch an diesem Wochenende mit sollte, dachten wir: der Nachmittag geht bestimmt auch schon. Das würde für uns einiges erleichtern, da ja auch noch die drei Mädchen irgendwie zu beaufsichtigen wären…
Tja, kaum in der Klinik angekommen, wurde Samuel auch schon „abreisefertig“ gemacht und es kam noch zur vermeintlichen Verabschiedungssituation am Tresen. Dort wurde meiner Frau dann aber mitgeteilt, dass Samuel auf gar keinen Fall mit nach Hause dürfte. Dass er am vergangenen WE mit war, sei ein Versehen gewesen, für das man sich entschuldigen möchte… – er dürfe erst Weihnachten wieder tagsüber nach Hause und vorher als absolute Ausnahmegenehmigung am Sonntag, wenn seine Schwester Geburtstag hat. Aber sonst nicht mehr…
Boah. Das war ein Hammer! Für Samuel, weil er sich ja schon auf Zuhause gefreut hatte. Für seine Geschwister aus dem gleichen Grund. Und auch für uns Eltern – zum einen aus demselben Grund und zum anderen, weil es dann doch wieder heißt, sich logistisch einiges mehr zu überlegen, wenn er tagsüber am Wochenende, wo nix läuft, doch in Geesthacht von uns betreut werden muss… Und eine richtige Begründung gab es auch nicht… Irgendwas von wegen versicherungstechnisch blabla. Innerhalb Geesthachts ja, aber eben nicht nach Hause. WHAT?!?…
Tja, so verbrachte erst Yvonne ziemlich bedröppelt – und dann später ich, nicht weniger bedröppelt, die Zeit bei unserem Sohn. Ich sagte ihm „gute Nacht“ und versprach ihm, dass wir am nächsten Tag auf jeden Fall die ganze Zeit bei ihm sein würden. Wie auch immer…
Tja, der Tag war nicht schön. Und die Nacht auch nicht wirklich… wir zerbrachen uns den Kopf darüber, warum er durfte und jetzt wieder nicht…
Blöde.
Im nächsten Blog dann der Bericht über ein Wochenende, das wider aller Erwartungen doch zu Hause stattfand… 😉

Eine Antwort auf „Die Zeit fürs Blogschreiben wird immer knapper (29.11.-1.12.2017)“

  1. Lieber Willem, seit Wochen verfolge ich Deinen Blog und somit Samuel Entwicklung.
    Meine Kerze in der roten Laterne brennt nach wie vor… Und das bleibt auch erstmal so!

    Die Wochenenden und der Aufenthalt zu Hause hat rein finanzielle Gründe den Kassen ggü., da ja das Haus den vollen Satz berechnet, als sei Samuel da. Die Kassen versuchen, Kosten zu sparen und den Häusern die nichterbrachte Leistung abzuziehen…
    Wenn Samuel nun aber z.B. die Nacht in Geesthacht verbringt, ist es, als sei er das Wochenende dort gewesen….

    Ich kenne das von meinem Aufenthalt in O-zoll im Februar…
    Es steckt neben aller Fürsorge für die Patienten einfach ein Wirtschaftsunternehmen dahinter…

    Ganz kurz zu mir: Seit kurzem merke ich, dass sich mein Akku wieder füllt… Es war eine düstere Zeit, trotz des Sommers.
    Außerdem bin ich bei einer sehr coolen Traumatherapeutin, die den Dreck meiner Kindheit langsam beiseite schaufelt…
    Allerdings war mir nicht klar, wieviel das ist!!!

    Bleibt Ihr nun behütet und fröhlich…
    Wenn Samuel Genesung kein Weihnachtswunder ist, dann weiß ich auch nicht….

    Ich umarme Dich! Christiane

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