An diesem Freitag habe ich frühzeitig Feierabend, so dass ich bereits gegen 14.30h bei Samuel sein kann. Wie gesagt: vormittags hat er ja überwiegend Therapien, so dass er für Besuche ohnehin keine Zeit hätte. An diesem Nachmittag steht auch kein gemeinschaftliches Angebot aller Kinder auf Station an, so dass ich mich entscheide, meinen Sohn kurzerhand mit nach Hause zu nehmen. Wir fahren also nach Winsen, wo der Rest der Familie sehr (freudig) überrascht über diesen Kurzbesuch ist.
Mittlerweile ist es so, dass Samuels Bewegungsabläufe nahezu normalisiert sind – er sprintet die Treppen hoch wie vorher und läuft (!) auch schon mit Geschwindigkeit kurze Strecken, hüpft und springt, ohne dass ihm etwas weh tut oder man den Eindruck hätte, er müsse sich eher schonen. Sicherlich sind auch noch einige Muskelpartien etwas untrainiert – aber der Fußballer in ihm weiß, dass er eines (gar nicht mehr so fernen) Tages wieder den grünen Rasen betreten wird. Jetzt ist ja ohnehin Hallensaison, das ist dann eh nicht so spannend. – Auch das therapeutische Schwimmen gelingt immer besser: Samuel kann schon Strecke UND tief tauchen.
Uns ist aufgefallen, dass er „durchaus wohlgenährt ist“ – sein Gewicht von vorm Unfall hat er sogar um 1kg schon nach oben übertroffen. Das ist ja alles okay und im Rahmen – er ist weit davon entfernt, pummelig oder gar übergewichtig zu sein. Trotzdem könnte im neuen Jahr auch eine Phase mit etwas weniger Schoki und Extras beginnen…
Apropos essen: nach einem gemeinsamen Abendbrot treten wir beide den Weg zurück nach Geesthacht an – nur kurz schlafen, dann komm ich schon wieder, um ihn abzuholen. Zwischendrin genehmige ich mir noch die LIVE-ÜBERTRAGUNG eines HSV-Bundesliga-Spiels im free-TV! YAY, wann gab es das schon mal? Und… – mein Abend ist versaut! 🙁
Aber das gehört hier ja eigentlich nicht hin. Also bitte überlesen…
Am Samstag morgen bin ich wieder sehr früh bei ihm, und auf dem Rückweg holen wir Brötchen. Ein schönes Vater-Sohn-Ritual mittlerweile, wobei sich mein Körper auch mal nach Erholung und Ausschlafen können sehnt. Aber naja, alles zu seiner Zeit. Zuhause angekommen, darf ich mich dann tatsächlich noch mal hinfleezen und bekomme gar nicht mit, wie der Rest der Bande aufsteht… um halb elf (!!!) wache ich auf und weiß gar nicht, wie mir geschieht. Das tat gut, einfach mal ein bisschen was aufzuholen. Samuel und seine Schwestern haben währenddessen einen ganz normalen ruhigen Vormittag erlebt – mit gemeinsam spielen, kuscheln, ein bisschen fernsehen, frühstücken… Herrlich! So muss ein Samstag vormittag sein. Als ich dann unten aufschlage, gönnt Samuel sich erstmal eine ausgiebige Entspannungswanne, dicht gefolgt von Charlotte, die zu gerne zusammen mit ihrem Bruder baden würde. Aber das geht zur Zeit nicht, weil sie ein kleines „Warzenproblem“ mit sich rumträgt, was leider auch ansteckend ist…
Apropos Warzen… ich erwähne das auch deshalb, weil Samuel vorher über Jahre (!) relativ große Warzen am rechten Fuß hatte, die ihm zusehends peinlich wurden. So lief er im Sommer immer mit Socken rum, weil er nicht wollte, dass andere diese Dinger entdecken. Und wir hatten schon so viel probiert: Tinkturen, homöopathische Varianten, Lasern, draufpinkeln (…) und was es nicht alles gibt. Nix half. Also musste das beste aller Warzenmittel her: Warz ab (warts ab)… (ACHTUNG: KALAUER!)
Und das half offensichtlich. Oder vielleicht waren es auch irgendwelche Medikamente, die er in den letzten Monaten bekam, die als Nebeneffekt quasi mit sich brachten, dass die Warzen verschwinden?!? Keine Ahnung… auf jeden Fall ist jetzt nur noch ein ganz kleines bisschen rauhe Haut an den entsprechenden Stellen zu fühlen – und wir wollen natürlich vermeiden, dass er sich neue einhandelt, womit wir wieder bei der Badewanne wären…
Am Nachmittag fahren wir (ohne Katharina, die ist den Tag über bei einer Freundin) gemeinsam ins Nachbardorf, zu einem ganz tollen Hofladen, bei dem wir schon seit Jahren sowohl unseren Weihnachtsbaum als auch unseren Weihnachts-Rinderbraten bekommen (und unter dem Jahr natürlich so manch anderes mehr: Milch, Honig, Eier, Kartoffeln usw.): – nähere Angaben z.B. hier: https://www.service-vom-hof.de/?m=b&o=340&b=106. Werbung ENDE 😉
Aber das war schön: gemeinsam hier über den Hof zu stapfen, die Bäume zusammen mit Samuel zu begutachten… Es gibt dort auch einen Punsch- und Waffelverkauf, dessen Einnahmen immer zugunsten eines guten Zwecks weitergeleitet werden – und in diesem Jahr haben Wiegels sich überlegt, den Erlös an die Ronald-Mc-Donald-Stiftung (wir waren ja selbst im „Ro-Mc-Do“-Haus in Eppendorf, während Samuel im UKE behandelt wurde) zu geben. Einfach klasse und sehr (!) unterstützenswert. Auch dort liefen Menschen rum, die von Samuels Unfall gehört hatten und erstaunt, gerührt, bewegt waren, ihn nun hier schon leibhaftig zu sehen. Da war so manche Träne in dem einen oder anderen Augenwinkel…
Nach unserer Rückkehr (einen Baum zu finden ist nicht soooo leicht, wie man denkt… ich fühle mich da immer an Hoppenstedts bzw. insgesamt an Loriot erinnert) ist Samuel noch zu einem Freund in unserer Straße rübergedüst. Natürlich noch mit Mama, alleine lassen wir ihn noch nicht… Aber der Kurzbesuch hat den beiden Jungs gut getat.
Danach gab’s noch Abendessen und wieder mal „ab nach Geesthacht“. Es war ein guter Tag für Samuel, so hat er mir das abends berichtet!
Am Sonntag habe ich Samuel nicht ganz so früh abgeholt. Wir wollten in den Adventsgottesdienst, der um 10h beginnt und natürlich vorher noch zusammen frühstücken. Als ich in Geesthacht ankam, war Samuel schon am Futtern: Schoko-Müsli. Der Hunger vor 8h war wohl schon recht groß. Wir staunen tatsächlich (jetzt muss ich das Ess-Thema doch noch mal aufgreifen) über die Mengen, die in diesen Jungen reingehen. Es ist möglicherweise eine Mischung aus dem typischen (vor)pubertären Essvermögen von Jungs im Allgemeinen und einer Art Ersatzbefriedigung (unser Sohnemann war eigentlich schon immer ein richtiges „Kuscheltier“ und muss da ja notgedrungen schon seit einiger Zeit auf vieles verzichten). Naja, beides geht vorüber…
Der Aufbruch in den Gottesdienst ist für uns als Familie immer ein „sportlicher Akt“ und wir schaffen es eigentlich NIE (!) pünktlich in den Gottesdienst. Wie machen andere das bloß? Es bleibt mir/ uns ein Rätsel. Aber wir sind da auch etwas gelassener geworden. Was bringt es, sich vorher gegenseitig anzuzicken und rumzubrüllen… ein paar Minuten rausschlagen und dafür schlecht gelaunt loszukommen?!? Nee, danke. Keine gute Idee. So nehmen wir auch das als besondere Phase, die vorübergeht. Ein guter Satz in der (Klein)Kind-Erziehung lautet ja: wenn du willst, dass es schnell geht – MACH LANGSAM! Daran müssen wir uns immer wieder erinnern.
Der Gottesdienst war schön. Auch hier waren viele sehr berührt davon, Samuel zu sehen. Es war wahrscheinlich auch ein bisschen „spooky“ für ihn, ganz oft von für ihn wildfremden Leuten zu hören, dass sie für ihn gebetet haben. Einmal sagte er ganz verdattert: „ach so, deshalb hab ich so oft im UNO gewonnen“ – er kann das alles noch nicht so verarbeiten und einsortieren, dass er begreift, welch unfassbares Wunder seine Genesung ist… Aber für uns ist es natürlich einfach schön, zu erleben, wie ganz viele Mitbeter unseren Samuel nun begegnen dürfen und dadurch auch eine Art Gottesbegegnung oder zumindest auch Gebetserhörung erleben dürfen. Wie schön!
Nach dem Gottesdienst (bei dem auch Katharina dabei war – wir waren also tatsächlich vollzählig) ging es nach Hause, wo es erstmal leckere Lasagne gab – eins von Samuels Leibspeisen! Danach wollte Katharina zum Weihnachtsmarkt nach Hamburg. Und jetzt begannen die Turbulenzen. Zunächst war nicht klar, wann sie wie nach Hamburg und wieder zurück kommen sollte… alleine Bahn fahren ist weder ihr Ding noch sind wir als Eltern da schon so weit… Aber anstatt sich zu kümmern, sitzen Teenies ja gerne bestimmte Dinge aus… Und was machen die lieben Eltern? Richtig: sie kümmern sich. Ich will das gar nicht lange ausführen, auf jeden Fall: kurz bevor ich mich mit Katharina auf den Weg machen wollte, passierte ein kleines Unglück: Samuel hielt Elisabeth auf dem Arm und saß mit ihr auf dem Sofa. Leider – warum genau, haben wir nicht mitbekommen – konnte er sie nicht halten und unsere 9Monate alte Tochter fiel auf den Fußboden und schrie ganz furchtbar. Wir befürchteten schon das Schlimmste… Aber sie war wohl nur auf den Arm und den Bauch gefallen und es war eher ein „Ach-Du-Schreck-Schreien“ als irgendwas anderes. Noch ein Kopf-verletztes Kind hätten wir jetzt nicht brauchen können… Es war eine schwierige Situation: wir haben eher uns als Eltern Vorwürfe gemacht, dass wir Samuel mit ihr schon alleine gelassen haben. Er kann das einfach momentan noch nicht… sei es motorisch, als auch kognitiv… zu begreifen, dass er da jetzt Verantwortung hat und diese dann auch wahrzunehmen… das klappt einfach noch nicht.
Nun gut, es war (nur) ein Warnschuss. Ein deutlicher allerdings! Und wir trösteten beide… In diesem Trubel haben wir es dennoch geschafft, Katharina rechtzeitig wegzubringen – und als ich wiederkam, hatte unsere liebe Nachbarin unsere beiden kleinen Mädels einfach mal „entführt“ für eine Stunde Spielplatz. Das war gut. So hatten wir Zeit mit Samuel alleine – bzw. nicht ganz, denn kurz darauf kam LEA, Samuels beste Freundin aus seiner Klasse, zusammen mit ihrem Papa zu Besuch. Die beiden hatten sich seit Ende September nicht mehr gesehen – und entsprechend groß war die Wiedersehensfreude. Ich hatte beide schon darauf vorbereitet, dass es ein Kurzbesuch werden muss – das ist zur Zeit noch das Beste. Diese kurze Zeit konnten sie aber genießen – und sich schon auf das nächste Wiedersehen freuen. Lea sprudelt einfach über vor Energie, Lebensfreude und Erzähllust – und das tut Samuel einfach gut.
Und zusammen mit ihrem Papa ist Lea einfach auch ein tolles Team. Beide sind sehr musikalisch und haben schon Lieder (!MEHRZAHL!) für Samuel komponiert, getextet, aufgenommen – der Wahnsinn! Es ist ein großes Geschenk, solche Freunde zu haben!
Nach diesem Besuch sollte sich auch dieser Zuhause-Tag dem Ende entgegen neigen. Bei der abendlichen Feedback-Runde am Bett sagte Samuel nur: „das war ein sehr schönes Wochenende – und das mit Elisabeth tut mir sehr leid“.
Unser Junge 🙂
