Neujahr! Wie auch in den letzten Jahren, so ist auch dieser Neujahrstag ein ruhiger Tag: ein Tag ohne Zeitdruck, ein Tag ohne großes Hungergefühl, ein Tag ganz in Familie. Wir sind so dankbar, dass wir das auch in diesem Jahr so erleben dürfen! Wie anders hätte dieser Tag ausgesehen, wenn Samuel den Unfall nicht überlebt hätte oder eben mit schwersten Schädigungen. So aber ist er eigentlich wie immer (bis auf die Aussicht, dass es abends wieder nach Geesthacht geht) bei uns, spielt mit Charlotte oder kuschelt mit Elisabeth, daddelt zwischendurch mal wieder ein Spiel auf seinem Handy, futtert nen Berliner im Vorbeigehen, liest…
Was nun auch wieder vermehrt zu seinem Tagesablauf zählt, ist der „Brain-Boy“, ein Übungsinstrument, das auf verschiedenen Ebenen seine kognitiven Fähigkeiten schult bzw. wieder wachruft. So ähnlich wie ein Game-Boy, aber doch mit weitaus größerem Nutzen für Samuel. Ergebnisse werden notiert und können auf diese Weise verglichen werden – so ist z.B. festzustellen, dass tatsächlich in vielen (!) Bereichen die Werte/Ergebnisse ähnlich sind wie vor dem Unfall, aber in manchen ist es auch offensichtlich, dass hier Entwicklungsbedarf besteht.
Was wir oft machen am 1.1. ist ein NEUJAHRSSPAZIERGANG – und das haben wir – bis auf Katharina, die wollte nicht – an diesem Tag auch gemacht. Samuel hat sich seinen Roller geschnappt und wir sind bei relativ eisigen Temperaturen gute zwei Stunden durch die umliegenden Straßen gelaufen und haben ein paar Neujahrsgruß-Karten verteilt. Einige Menschen haben doch ziemlich verdattert geguckt, als sie den ziemlich fidelen und normal wirkenden Samuel plötzlich vor ihrer Haustür erspähten. Dieser Rundgang hat Samuel sehr gut getan – sowohl, was das Auspowern angeht, als auch was die Freude an den Haustür-Begegnungen betrifft.
Gegen 16.45h waren wir wieder zu Hause, wo sich der Hauptteil der Familie erstmal aufgewärmt hat, während ich den gestern versäumten Jahresschluss-Gottesdienst heute nachholen konnte und nach Pattensen fuhr. 17h am Neujahrstag ist auch eine gute Zeit, um einen Gottesdienst zu besuchen. Mir tat es gut, in aller Ruhe für mich einen Gottesdienst aufzusuchen und dabei Gedanken über Gott als die Quelle von lebendigem Wasser nachzugehen.
Zurück zu Hause haben wir noch ein kurzes Abendbrot gegessen und sind dann wieder nach Geesthacht gefahren. Nun war also auch die zweite Phase von einigen aufeinanderfolgenden Tagen und Nächten zu Hause vorüber und eine lange Etappe mit Geesthacht steht ihm und uns bevor.
Kurz bevor wir uns am vergangenen Freitag auf den Weg nach Hause machten, bekam Samuel ja noch sein neues Bett präsentiert – ein normales Bett ohne Gitter und Höhenverstellung… Nun durfte also die erste Nacht in diesem Bett folgen. Das einzig Ungewohnte ist nun aber wohl, dass es zu keiner Seite eine Begrenzung gibt… Zuhause oder auch in anderen Orten (Jugendherberge, Ferienwohnungen usw.) steht das Bett ja meistens mit einer Seite an der Wand. Aber „wird schon“, denken wir…
Der nächste Tag in Geesthacht – der Dienstag also – bringt zumindest Charlotte den (Kita)Alltag zurück. Katharina darf noch ein paar Tage chillen, bevor der Schulalltag 2018 sie wieder hat. Und Samuel macht also gerade seine zweite Ferien durch, ohne dass es danach wieder in die Schule geht… aber möglicherweise werden es die letzten Ferien sein, an deren Ende es nicht heißt: „jetzt wieder ab in die Schule…“! Es ist Visite an diesem Tag und uns wird mitgeteilt, dass Samuel übermorgen (also am 4.1.) in die nächste Phase der Reha kommt: die „Phase C“. Zur Erklärung: es gibt insgesamt 4 Phasen – die Anfangsphase A (das war auf der IMC-Station), die Phase B (Früh-Reha), die Phase C und dann die Entlassungsphase D. Manche Kinder werden auch schon in C entlassen, aber… – zunächst mal bedeutet Phase C, dass Samuel an jedem Wochenende für eine Nacht zu Hause bleiben darf und dass es einmal im Monat ein langes Wochenende geben darf mit zwei Nächten Zuhaus‘. Und: ab jetzt gibt es überwiegend Gruppentherapie – was für Samuel auch gut ist, da er sich ja auch in der Schule später wieder in Gruppen bewegt und mit anderen zusammen lernen muss.
Kurz gefasst lässt sich sagen, dass sie alle beeindruckt sind, welche gute Entwicklung Samuel auch über Weihnachten und Neujahr genommen hat und dass sie von daher überzeugt sind, dass es jetzt dran ist, in die nächste Phase zu kommen.
Ansonsten lässt sich von diesem Tag eigentlich nichts Außergewöhnliches mehr berichten. Am Nachmittag sind die Kinder im Bewegungsraum und es wird Fußball gespielt. Auffällig ist dabei – und in anderen Situationen, dass Samuel sich leider immer mehr „daneben benimmt“, sich Anweisungen widersetzt oder einfach nicht besonders nett reagiert… Vielleicht färbt das Verhalten der anderen, jüngeren Kinder auf ihn ab? Vielleicht gibt es aber auch andere Gründe? Wir wissen es nicht so genau – es sollte sich aber in ein paar Tagen noch eine neue Erklärung dazugesellen, aber dazu gibt es erst im nächsten Blog-Eintrag mehr…
Die Nacht kommt. Es ist Vollmond. Unruhiges Schlafen war angesagt. Liegt es am Vollmond?…
Am Mittwoch morgen kommt ein Anruf aus Geesthacht. Samuel ist kurz nach Mitternacht aus seinem neuen Bett (ohne Bettgitter, wie gesagt) gestürzt und „natürlich“ (…) auf den Kopf geknallt! Dicke Beule, ausgerechnet links – also auf der Seite, wo Samuel ohnehin seine Verletzungen hat. Die Schwestern haben einen dumpfen Aufprall gehört und auch, dass Samuel dann geweint hat. Er war aber wohl sofort ansprechbar, ließ sich auch immer wieder wecken und auch die anderen Untersuchungen ärztlicherseits hatten keine Auffälligkeiten feststellen können. Am nächsten Morgen kam dann die erste Therapie – und anschließend musste Samuel sich wohl übergeben. Diese „Kombi“ aus Kopf-Aufprall und anschließendem (…) Übergeben ist natürlich nicht besonders erfreulich bzw. gibt neurologisch dann vielleicht doch Anlass zur Sorge… Durch den Anruf wusste Yvonne dann auch, warum sie so unruhig geschlafen hatte. Was Mütter alles spüren… – Uns wurde aber gesagt, dass wir nicht sofort kommen müssten. Man hätte für diesen Tag die weiteren Therapien erstmal abgesagt und wolle schauen, wie sich die Dinge weiter entwickeln. Bei besorgniserregenden Änderungen würden wir sofort unterrichtet. Wir behielten also unseren Plan bei, dass ich nachmittags zu ihm fahren würde – und das tat ich dann auch. Dieser Tag war für Samuel natürlich relativ doof weil langweilig! Er hatte keine Therapien – also auch nicht wirklich ne Beschäftigung, weil ja die anderen Kinder Therapien hatten. Fernsehen durfte er auch nicht, weil zu anstrengend… Dann also ein paar Hörbücher. Ist aber für einen Jungen mit fast 12Jahren, der über einen „gewissen Bewegungsdrang“ verfügt, auch nichts, was den ganzen Tag füllt. Naja, nachmittags kam ich ja dann.
Inzwischen wurde uns übrigens mitgeteilt, dass es aufgrund des nächtlichen Sturzes noch mal ein MRT geben soll – wofür Samuel wieder ins UKE müsste. Zwar nur für diese eine Untersuchung, aber immerhin… Das brachte zweierlei Unruhe: zum einen, weil wir uns natürlich Sorgen machten, dass nun doch der gute Genesungsprozess einen Schaden genommen hat, bzw. ausgebremst wird und nun „werweißwas“ im MRT festgestellt werden könnte. Wieder dieses ungewisse Abwarten wie in den Anfangswochen. Und damit wird natürlich manches angetriggert, was uns wieder den kalten Schweiß auf die Stirn treibt. Wir sind doch ein wenig traumatisiert…
Naja, und die andere Unruhe ist organisatorischer Natur: da ich jetzt wieder arbeitsmäßig nach Hamburg düse und in Winsen der Alltag zumindest teilweise wieder da ist UND Yvonne aber trotzdem unseren Sohn gerne zum MRT begleiten würde, ist wieder eine gute Idee gefragt bzw. irgendjemand, der Charlotte und Elisabeth für die Stunden nähme, wenn Yvonne mit Samuel nach Hamburg fährt. Dafür müsste man aber wissen, wann der MRT-Termin ist, was aber noch nicht klar ist. Je kurzfristiger der Termin genannt wird, desto schwieriger ist es aber, jemanden zu finden, der mal spontan Zeit für unsere beiden hat. Das Gute ist aber doch – im Vergleich zu den ersten Wochen im UKE damals – dass Elisabeth schon eine Ecke weiter ist und selbstständiger und einfach unabhängiger von Mama. Das macht manches leichter. Nun denn – um es vorweg zu nehmen: es wurde erst am Donnerstag klar, dass das MRT am FREITAG sein würde – aber dankenswerterweise hatten wir die Zusage familiärer Unterstützung für den Freitag nachmittag. Das hat doch einiges entspannt!
Zurück zum Tagesgeschehen. An diesem Mittwoch Nachmittag habe ich mit Samuel festgestellt, dass ein bisschen reinigendes Wasser auf seinen Körper durchaus gut wäre. Zum Duschen hatte er aber keine Lust – er hatte es auf die Badewanne abgesehen. Und das war ein Spaß! Tieftauchen in der Wanne, sich richtig intensiv reinigen. Whow! Nach dem Bad sollte es auch schon bald in die Essensgruppe gehen – aber vorher wollten wir den sauberen Jungen noch mal wiegen. Stattliche 3,5kg zugelegt seit der Einlieferung ins UKE am 26.9.! Nicht schlecht. Aber ich vermute, dass in den nächsten Wochen wieder einige Kilos abtrainiert werden, wenn ich mir den Bewegungsdrang… ach, das hatten wir ja schon. Witzig war in dem Zusammenhang noch eine kleine Begebenheit am Rande: ein Junge, mit dem Samuel immer viel unterwegs ist, meinte zu mir VOR DEM WIEGEN, als ich Samuel auf den Arm nahm „Nimm mich auch mal hoch“. Gesagt – getan. Ich heb ihn in die Luft und sag zu ihm: 32kg!
Beim Wiegen von Samuel haben wir dann diesen Jungen auch auf die Waage gestellt – und was soll ich sagen? 32,5kg! Gut, was?!? 😉
So ging dieser Tag, der mit einem großen Aufreger begann, einigermaßen unspektakulär zu Ende. Als ich Samuel zu Gesicht bekam, konnte ich übrigens kaum eine Beule ausmachen – das „Beulchen“ war wirklich minimal – und auch sein Verhalten (das zwar nicht immer „die feine englische Art“ war) war jetzt nicht wirklich anders als vor dem Bettsturz. Also von daher wird wohl alles halb so wild gewesen sein. Und das MRT habe auch wirklich nur „rein forensische Gründe“ wie uns die Ärzte mitteilten. Übersetzt: die Krankenversicherung möchte bei solchen Vorfällen IN DER KLINIK auf Nummer sicher gehen, von daher wird ein MRT dann durchgeführt. Dass das MRT am Freitag nachmittag durchgeführt wird, ist auch schon ein Indiz dafür, dass nicht wirklich mit einem relevanten Ergebnis zu rechnen ist. Aber: sicher ist sicher…
Apropos: aufgrund des Sturzes wurde das Bett nun mit einer Seite an die Wand gestellt (so kennt Samuel es ja eigentlich auch von zu Hause und anderswo: EINE Begrenzung zur Wand gibt es normalerweise immer. Möglicherweise war das der Grund des „aus dem Bett-Fallens“). Und es gab einen kleinen Rausfallschutz an der Kopfseite, der auch leicht entfernt werden kann, der aber garantiert, dass er nicht wieder so einen Sturz hinlegt…
Der Blog ist eigentlich jetzt schon ÜBERLANG! Von daher mach ich’s mit dem Donnerstag kurz .
– trotz des Bettsturzes können wir heute den Einstieg in die Phase C feiern und uns darüber freuen, dass weiterhin ein Schritt nach dem nächsten kommt!
– Jonathan, ein Freund der Familie und guter Musiker von Beruf, meldet sich per WhatsApp-Sprachnachricht, dass er demnächst mal zum gemeinsamen Musik-machen mit Samuel vorbei kommen will – und das freut unseren Sohn riesig! 🙂
– nachmittags ist ENDLICH mal draußen Fußball spielen angesagt, was auch Freude auslöst. Aber auch Kampfeslust. Und eben manche nicht so gute Eigenschaften (das Sozialverhalten leidet doch ganz schön bei solchen Aktionen). Aber all das ist in den Griff zu bekommen und tut der Freude über die Bewegung keinen Abbruch.
– das MRT soll nicht, wie ursprünglich geplant, im UKE stattfinden, sondern in Bergedorf. Noch besser, weil näher! 😉
Im nächsten Blog dann mehr über den Ausflug nach Hamburg zum MRT und über das dann folgende Wochenende!
